Ein Grundgesetzt der Physik besagt: Wo ein Körper ist, da kann kein zweiter sein. Will nun aber der eine partout dorthin, wo der zweite sich bereits befindet, und sind diese Körper auch noch menschlicher Natur, so endet dies zumeist in leidlichen Schmerzen für alle Betroffenen. Eine stabile Mauer vermag in solchen Fällen das Ärgste zu verhindern.
Doch nicht jede Mauer dient dem guten Zweck. Die Chinesische zum Beispiel ist nicht nur lang und darum höchst beschwerlich abzuschreiten, sondern heutzutage gänzlich unnütz, ja kontraproduktiv. Als Touristenattraktion beschert sie den Pekinger Stamokaps wertvolle Devisen, die mitnichten dem Proletariat respektive Prekariat zugute kommen. Auch die Berliner Mauer ist in ihren Restbeständen kaum zu goutieren. Wo sich Friedrichshain und Kreuzberg durch die Oberbaumbrücke zum Wahlkreis von Hans-Christian Ströbele vereinigen, da sind auf einem übrig gebliebenen Stück des ehemals antifaschistischen Schutzwalls die palästinensische und die deutsche Flagge ineinander getuscht; darüber prangt ein Davidstern nebst friedensbewegter Parole im Pisa-Englisch: »Who stop the war?« Wenn irgendwo, dann gilt hier: Die Mauer muss weg!
Ganz anders verhält sich das aber in Heiligendamm, dem Ort, da sich einige mehr und einige weniger sympathische big shots zusammenfinden, was ihnen wiederum von gar nicht wenigen »globalisierungskritischen« small crocks geneidet wird. Nun haben beide Gruppierungen ein gutes Recht auf ein je eigenes Stelldichein, auch wenn den einen die Parolen der anderen, und den anderen die Beschlüsse der einen nicht gefallen. Nur schließt das einleitend zur Erinnerung gebrachte physikalische Gesetz aus, dass dies alles am gleichen Ort zur gleichen Zeit geschieht. Die No-Globals scheinen dieses Gesetz aber missachten zu wollen und drohen Ungemach an: »Shut down G8«, »When the going gets rough«, »Fight G8«, »Block G8« - so heißen die offiziellen Parolen [1]. Und das hört sich nicht danach an, als ginge es nur darum, die antikapitalistische »Botschaft« zu Gehör zu bringen, wie dies angelegentlich euphemistisch behauptet wird.
Denn wäre mehr nicht beabsichtigt, so könnte man das Zu-Gehör-Bringen den Altvorderen der Jugendbewegung Attac wie Ex-CDU-General Heiner Geißler oder den Vorsitzenden von Linksparteien wie Oskar Lafontaine überlassen, die regelmäßig bei Christiansen, Beckmann et. al. vorsprechen. Oder man vertraute auf die friedlichen Protestanten. Die treffen sich am »Heiligen Damm des Gebets«, wenn am 6. Juni um 18 Uhr einhundert Kirchengemeinden im Umfeld von Heiligendamm acht Minuten lang die Glocken scheppern lassen. Oder aber man ertrüge tags darauf Herbert Grönemeyer, die Toten Hosen und – natürlich – Bono solo in Rostock beim Konzert mit dem einladenden Titel »Music & Message«. Für Anfragen bzgl. Hotelzimmer, Pensionen: Tourismuszentrale Rostock, Neuer Markt 3, 18055 Rostock. Der Trend geht eindeutig zum Inlands-Urlaub.
Nur scheint es nicht jeder bei deinem Trip zur schönen Küste in Deutschlands Osten auf derlei geräuschvolle Friedfertigkeiten anzulegen: Im jüngsten Spiegel macht Hans Magnus Enzensberger einen »Vorschlag zur Güte« [2], weil auch er fürchtet, dass nicht nur Gehör, sondern Randale gesucht werden könnte. Dies treibt ihn um; da will er nicht länger abseits stehen und vom Publikum praktisch unbemerkt im Literaturmuseum der Moderne in Marbach »Poesieautomaten« und andere »Wortspielzeuge« aufstellen. Enzensberger will sich, wie jeder deutsche Dichterdenker, politisch engagieren, einmischen, das Wort ergreifen. Das hat er schon ein paar Mal getan, und er hat sich dabei als auffällig wenig besorgt um des deutschen Volkes Wohlwollen gezeigt. So unterstützte Enzensberger den Irak-Krieg der Amerikaner und sprach von triumphaler Freude angesichts des Sturzes von Saddam Hussein. So lieferte er erst jüngst in seinem Essay »Schreckens Männer« kluge Überlegungen zu islamistischen Selbstmordattentätern, die sich als Sieger gebärden, während sie doch radikale Verlierer aufgrund ihres eigenen antimodernen Unvermögens sind.
Dieser Tage also denkt Enzensberger über Heiligendamm nach, und hätte sich doch besser wieder um Marbach am schönen Neckar gekümmert. So aber kommen ihm »Erinnerungen an Krieg und Diktatur«, er spricht von der Vertreibung der Zivilbevölkerung, vom Ausnahme- und Belagerungszustand und von den G8-Teilnehmern als einer Besatzungsmacht. Er konstatiert, dass diese die »Sicherheitsrisiken, mit denen sie zu kämpfen haben, selber herbeiführen«. Und dies allein durch ihre Anwesenheit. Er empfiehlt ihnen deshalb, sich auf einsamen Inseln in der Karibik oder im Stillen Ozean zu treffen. Anderenfalls wären sie es selber, die jene »gewaltbereite Minderheit anlocken und ihr für ihre Auftritte eine unwiderstehliche Bühne verschaffen«. Enzensberger sieht gegenüber den G8-Teilnehmern »die restliche Bevölkerung, eine, wie ich meine, nicht unerhebliche Majorität« in ihrem Missmut und ihrer Abneigung im Recht. Deshalb mahnt er die sich versammelnden Politiker: »Glauben Sie mir, ich meine es gut mit Ihnen; denn sie öden mit Ihren Veranstaltungen nicht nur die Bevölkerung an, Sie schaden auch sich selber. Wie die Geschichte lehrt, sind Okkupanten unbeliebt, und Sie legen doch gewiss Wert auf die Wertschätzung Ihrer Mitmenschen. Mein Rat wäre deshalb: Treiben Sie es nicht auf die Spitze!«
Dieser Rat aber klingt fast wie eine Drohung aus dem Schwarzen Block. Dabei hat das alles, folgt man Enzensbergers Majoritäts-Gedanken, eine bestechende Logik und ließe sich auf andere politische Felder übertragen. In Brandenburgs Osten sind die autochthonen Deutschen eine nicht unerhebliche Majorität gegenüber Migranten. Letztere bieten durch ihr ungewohntes Auftreten außerdem eine unwiderstehliche Bühne für eine gewaltbereite Minderheit unter ersteren. Für die Etablierung weitgehend »national befreiter Zonen« hat Enzensberger aber dennoch nie Verständnis gezeigt, ganz im Gegenteil. Ein anderes Beispiel: Den Schülern des jüdischen Gymnasiums in Berlin Mitte muss man nun wohl erklären, dass sie sich nur selber schaden. Denn da sie unter Polizeischutz zur Schule gehen, kann die nicht-jüdische Majorität leicht den Eindruck bekommen, dass hier ein Ausnahme- und Belagerungszustand herrschen würde. Man kann ihnen daher nur raten, es nicht auf die Spitze zu treiben. Sollten die Juden also besser in den Nahen Osten gehen? Doch, leider, auch dort gilt das Majoritäts-Prinzip, und die Zionisten führen die Sicherheitsrisiken, mit denen sie zu kämpfen haben, qua Existenz selbst herbei. Ein logisches Dilemma, über das Hans Magnus Enzensberger sicher noch nachdenken wird. Denn Enzensberger ist tatsächlich einer der letzten, denen man Antisemitismus oder Antizionismus unterstellen könnte; mit Jorge Semprun und anderen unterzeichnete er 2002 beispielsweise ein ungewöhnliches Manifest zur Unterstützung des von der Regierung Sharon errichteten Schutzwalls zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten. Auch Enzensberger ist also eigentlich ein Befürworter der einen oder anderen Mauer.
Nun aber empfiehlt er, dass sich die Staats- und Regierungschefs der G8 der sich in Heiligendamm ankündigenden Mehrheit beugen und besser verschwinden sollten. Diese Apologie der Tyrannei touristischer Mehrheiten aber hat mit jenem Verständnis von Demokratie recht wenig zu tun, welche es gerade Minderheiten gestatten will – auch jenen, die von der Mehrheit nicht sonderlich gemocht werden – sich zu versammeln, wann immer und wo immer sie wollen, und diese zu schützen trachtet, wenn der Pöbel mit Gewalt droht.
Hinter dem Denken von Enzensberger und dem Rest seiner nicht unerheblichen Majorität steckt eine gewisse Ranküne, weil die in Heiligendamm sich versammelnden Politiker ja nicht für das, was sie dort konkret diskutieren, sondern für das, was sie sind – Personifikation der Globalisierung – angefeindet werden und ihnen darum das Recht auf ein paar friedliche Cocktails in einer mondänen Bar am Ostseestrand mittels gar nicht so friedlicher Molotow-Cocktails abgesprochen werden soll. Werden die politischen Äußerungen des legalen Arms der No-Globals doch einmal konkret, so fehlen alle kritischen Töne gegenüber Russland und China; nichts hört man über deren autoritäre Staatsstrukturen, deren imperialen Bestrebungen, deren Repression gegenüber Dissidenten. Wenn es konkret wird, so stehen allein Amerikas Umweltpolitik, Amerikas Nahostpolitik, Amerikas Währungspolitik etc. im Mittelpunkt. Interessant wäre daher, ob sich für eine G8 minus 1 – ohne die USA – auch nur eine paar Dutzend Aktivisten mobilisieren ließen.
So ist es eigentlich doch gut, dass sich die G8 in Heiligendamm treffen, und unter ihnen auch die Projektionsfigur George W. Bush weilt. Denn was würden all die Gerechten tun, wenn sie nicht einmal im Jahr an irgendeiner Sicherheitsmauer »den Widerstand bunt und stark« artikulieren könnten, »Kunst am Zaun« veranstalten dürften, oder aber – das obligatorische Highlight – zusammen mit den European Jews for a Just Peace der »israelischen Militärbesetzung der palästinensischen Gebiete« gedenken könnten, »zumal Israel das Feuer des politischen, ethnischen und religiösen Extremismus in den arabischen und muslimischen Ländern schürt.« Die entsprechende Mahnwache findet am 5. Juni ab 11 Uhr am Sicherheitszaun Vorder Bollhagen statt, symbolischer Ort für die »Unrechtsmauer ... die quer durch die besetzten Gebiete verläuft«. [3]
So haben die No-Globals ein symbolisches Stück Maschendrahtzaun am Ostseestrand zum Wüten und Abreagieren. Das ist gut für den emotionalen Haushalt und sorgt für frische Luft und ein bisschen Bewegung. Was will man für unsere jungen Menschen denn mehr? Diese Mauer ist in jeder Hinsicht von Vorteil.
[1] Alle zu finden auf: www.g8-2007.de und www.attac.de
[2] Hans Magnus Enzensberger: Vorschlag zur Güte. in: Spiegel 22/2007
[3] Junge Welt vom 30. Mai 2007
Donnerstag, 31. Mai 2007
Samstag, 26. Mai 2007
Die kollektive Psychose
Kontinuitäten und Transformationen des neuen Antisemitismus im postnazistischen Deutschland.
Dieser Essay erscheint im Spätsommer im Jahrbuch »Mentalities« in englischer Sprache.
Vorsatz: Keine Antisemiten, nirgendwo?
Glaubt man dem heutigen Selbstverständnis der Deutschen, so gibt es, abgesehen von einer kleinen und gesellschaftlich geächteten Randgruppe Rechtsradikaler, keine Antisemiten mehr im Lande. Die postnazistische Bundesrepublik gibt sich mit einigem Erfolg pazifistisch und antifaschistisch geläutert. Doch dies ist kritisch zu hinterfragen.
Das Vorhaben dieses Textes ist es, die Oberfläche dieses Selbstbildes, so wie es offiziell bekundet wird, zu durchdringen, einige wesentliche Chiffren herauszuarbeiten und in der Konsequenz dessen auch die Lektionen, die man aus deutscher Geschichte gelernt zu haben meint, in Frage zu stellen. Zwar ist der klassische, der völkisch-rassistische Antisemitismus tatsächlich Geschichte. Doch das antisemitische Bedürfnis ist nahezu ungebrochen geblieben. Es hat in einem neuen Antisemitismus seinen zeitgenössischen Ausdruck gefunden.
Interessant an Deutschland ist vor allem, dass mit dem Ende des Nationalsozialismus die innere und äußere Notwendigkeit, mit jeder Form des klassischen Antisemitismus vollends zu brechen, weitaus größer war, als in anderen Staaten Europas. Nur so bot sich die Chance, das deutsche Verbrechen, das auf den Tätern doch wie ein Alb drücken musste, zu entwirklichen; nur so akzeptierten die alliierten Sieger die Wiedereingliederung Deutschlands in die Zivilisation. Doch weil die alten Formen unmöglich geworden waren, prägten sich hier die neuen, noch unbelasteten Formen des Antisemitismus früher und in deutlicherer Form als anderswo aus. Deutschland wurde zum role model für den antizionistischen Antisemitismus, der sich bis heute euphemistisch als »Israelkritik« ausgibt.
In einer Umfrage der BBC vom Frühjahr 2007 äußern 77% der Deutschen, Israel habe einen negativen Einfluss auf die Welt. [1] Diese unglaublichen Zahlen werden in keinem anderen europäischen Land erreicht; selbst in der islamischen Welt weisen nur der Libanon und Ägypten ähnlich drastische Werte auf. Das sich hier aussprechende Verhältnis der Deutschen zu Israel ist von keiner Realität israelischer Politik und ihrer vernünftigen Beurteilung gedeckt. Dieses nun auf die Formel »Ressentiment« zu verdichten, reicht aber nicht hin. Nachfolgend sollen deshalb – notwendig rhapsodisch – unter Rekurs auf die Überlegungen der Kritischen Theorie, wie sie zuvörderst von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno entwickelt wurden, die Kontinuitäten und Transformationen einer kollektiven Psychose beleuchtet werden.
Stunde Null
Zum Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland gehört die Behauptung, mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges habe es eine Stunde Null gegeben; nicht nur Europa, auch die Deutschen selbst wären vom Nationalsozialismus befreit worden. Mit dem Ende des Hitler-Regimes sollte geschichtsvergessen ganz neu begonnen werden. Schon aus der Rede von einer angeblichen Stunde Null, die von Vergangenem nichts mehr wissen will, und von eigener Schuld schon gar nicht, spricht offensichtlich Abwehr.
Das aus der amerikanischen Emigration nach Frankfurt am Main zurückgekehrte Institut für Sozialforschung, das seit je einen interdisziplinären Ansatz von philosophischer, soziologischer und psychoanalytischer Erörterung gesellschaftlicher Probleme pflegte, wollte in seinem ersten Projekt nach dem Kriege erfahren, in welcher politischen und moralischen Verfasstheit sich das Land befindet, in dem man es nun aufs Neue versuchen wollte. Im so genannten Gruppenexperiment wurden quantitativ und qualitativ Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung der gerade gegründeten Bundesrepublik zu wesentlichen gesellschaftlichen und politischen Fragen untersucht. Verschiedene Personengruppen wurden dazu angehalten, unter zurückhaltender Moderation über einen fiktiven Brief eines amerikanischen Soldaten zu diskutieren, durch den als gezielt gesetzten Grundreiz vernünftiges, autoreflexives Raisonnieren ebenso wie auch aufschlussreiche Affekte provoziert werden sollten. Diese Gespräche wurden transkribiert und eingehend analysiert. Es ging also weniger darum, dem »Ideal der Zähl- und Messbarkeit« zu genügen, als vielmehr »durch theoretische Besinnung die Daten auf den traditionellen Lebensprozess der Gesellschaft« zu beziehen, mit dem Ziel, ihn nicht zuletzt durch psychoanalytische Untersuchung zu erhellen.
Diese Arbeit, die sich in weitem Maße an der Psychologie in ihrer freudschen Gestalt orientierte und die psychosozialen Massenphänomene aus der Dynamik der einzelnen Individuen in der Gruppe – deshalb Gruppenexperiment statt Individualinterview – zu verstehen versuchte, zeigte, dass der Konformismus und die ungeheure Gewalt der Identifikationsmechanismen mit dem eigenen Kollektiv, dem nationalen, nach 1945 schier ungebrochen fortwirkten. Mechanismen wie falsche Projektion, mechanische Reaktionsbildung, verdrängtes Schuldgefühl – allesamt in der Zone der Abwehr des Unbewussten durch das Ich zu verorten, und im Widerspruch zur objektiven Realität ihren irrationalen Charakter offenbarend – machten dieses Fortwirken evident.
Theodor W. Adorno nannte seine Teilstudie deshalb: Schuld und Abwehr. Er stellte heraus: »Wenn an die Nervenpunkte der Schuld gerührt wird, wird es besonders deutlich, wie viele der Angesprochenen fast mechanisch sich eines bereits vorliegenden Vorrats von Argumenten bedienen, so dass ihr individuelles Urteil nur eine sekundäre Rolle zu spielen scheint: die eines selektiven Faktors im Verhältnis zu jenem Vorrat.«
Dieser Vorrat von Argumenten ist vielfältig: individuelle Selbstentlastung, Übertragung jeder Verantwortung an die einstigen Autoritäten, Leugnen oder Herunterspielen des damals Gewussten und des heute Wissbaren, Aufrechnung vermeintlicher Schuldkonten, Betonung des eigenen Kriegsleids, Relativierung der deutschen Kriegsschuld, Betonung der Wirkung von Propaganda und Terror etc. Auch wenn sich hier jeweils ganz unterschiedliche Ausprägungen feststellen ließen – im Gruppenexperiment wird zwischen offen nationalsozialistischen, ambivalenten und eher verständigungswilligen Personen unterschieden –, so waren doch fast ausnahmslos bei allen Beteiligten Motive der Abwehr zu erkennen.
Im sich oft aggressiv äußernden Drang der Abwehr gehen die Realitätsbezüge, geht auch die Logik der vorgetragenen Argumente in die Brüche. Dies verweist auf einen psychotischen Charakter. Durch die Dynamik in der Gruppe, in der die Diskussion über den fingierten Brief ablief, ermutigt, durchschlug der Affekt oft die rationale Kontrolle; dass Geäußerte ist dabei mitnichten ein Fauxpas, sondern vielmehr wirklich Gedachtes und im Affekt erst ungehemmt nach Außen Gebrachtes.
Das ließ Adorno schlussfolgern: »Wir dürfen von der Annahme ausgehen, dass tatsächlich eine latente Erfahrung von Schuld vorliegt und dass diese Erfahrung verdrängt und rationalisiert wird. Aber sie muss die Über-Ich-Instanzen der meisten Versuchsteilnehmer in irgendeiner Weise belasten.« Doch gerade dadurch, dass sich der Schuld nicht gestellt wurde, diese nicht in einen Prozess der kritischen Autoreflexion gebracht wurde, dauerte die Belastung unverändert an, schien jede Möglichkeit auf Katharsis unmöglich. Eine Stunde Null gab es nicht, konnte es auch gar nicht geben. Auf die unermessliche Schuld folgte nicht kritische Aufarbeitung des Vergangenen, sondern Abwehr.
Sekundärer Antisemitismus
Die beschriebene Studie des Frankfurter Instituts für Sozialforschung bezieht sich auf die Zeit unmittelbar nach Gründung der Bundesrepublik. Wiewohl bis dahin mit den Nürnberger Prozessen und einer von den westlichen Alliierten erzwungenen Re-Education der Deutschen eine Entnazifizierung hätte beginnen können erste Wirkung zu zeigen, so lassen diese Bemühungen doch mit Gründung der Bundesrepublik schon nach. Um die so früh wieder souveränen Westdeutschen als Bündnispartner im Kalten Krieg zu gewinnen, wird ihnen die nationalsozialistische Vergangenheit nachgesehen; die Entnazifizierung kommt, nun Sache der Deutschen selbst, zum Erliegen. Erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre etablieren sich erste selbstkritische Ansätze einiger weniger, während eine Welle antisemitischer Vorfälle aus dem rechtsradikalen Milieu das Fortwirken des Nationalsozialismus evident macht. Hier nun setzt der offiziöse neue deutsche Weg ein, die sofort zum Ritual erstarrte, konsequenzlose Erinnerung an die Verbrechen in die nationale Identität zu integrieren.
Der Direktor des Instituts für Sozialforschung notiert zu dieser Zeit: »Nirgendwo in zivilisierten Ländern ist so wenig Grund zum Patriotismus wie in Deutschland, und nirgendwo wird von den Bürgern weniger Kritik am Patriotismus geübt als hier, wo er das Schlimmste vollbracht hat. Berlin, die Wiedervereinigung, die Gebiete jenseits der Oder des zu Recht besiegten Deutschlands werden zu Stimulantien der neuen patriotischen Gesinnung, die von einem unheimlichen Willen gegen inneren, ja gegen äußeren Widerspruch sich ausbreitet. Unansprechbar, weil unreflektiert und von keinem vernünftigen Grund gestützt, vom Westen schlau die Reputation erborgend, man sei ein liberales Volk, man teile die politische Geschichte mit der freien Welt, schickt man sich an, der Freiheit den nächsten Streich zu spielen. Der Kotau vor den Widerstandskämpfern, die offiziellen Absagen an den Antisemitismus, von den Synagogenbesuchen der Bürgermeister bis zum Schweigen bei Anne Frank, all dieses bereits kleinlaut und formell gewordene Schuldgetue hat bloß die Funktion, sich zum rechten Patriotismus wieder das gute Gewissen zu machen, sofern es nicht bloße Reklame für amerikanische Foundations ist. Der Patriotismus in Deutschland ist so furchtbar, weil er grundlos ist.« [2]
Im Rahmen dieser offiziösen Politik der konsequenzlosen Integration der Verbrechen in die nationale Identität wurde es jedoch zumindest schwieriger, die eigenen Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus abzustreiten oder für übertrieben zu erklären. Die Verdrängung wurde zunehmend zur Unmöglichkeit. Die Zugeständnisse an die historische Wahrheit wurden aber allemal als Zumutung verstanden, und eben nicht als politische wie moralische Verantwortung zu eigen gemacht. Die Reaktionen auf diese veränderte Situation waren sehr unterschiedlich. Hartgesottene Nationalsozialisten leugneten entweder die Tatsache des Judenmordes gänzlich, oder aber sie rechtfertigten sie als notwendige Maßnahme – ganz der alten Ideologie treu bleibend. In beiden Fällen hatte das Gewissen seine Ruhe.
Die weniger Entschiedenen aber hatten und haben sich noch heute mit moralischen Problemen herumzuplagen. Sie mühten sich vor allem, die Schuld am Begangenen möglichst plausibel so zu konstruieren, dass man selbst makellos ausgeht. Das Autoritätsprinzip gestattet es, den einstigen Führen, die nun nicht mehr am Leben sind, alle Verantwortung zuzuschieben. Dies findet in Deutschland bis heute in einer auffälligen Hitler-Obsession seinen Ausdruck: Kaum ein Tag vergeht, ohne dass nicht in Radio oder Fernsehen wieder ein Betrag über ihn und seine Taten läuft, mit besten Einschaltquoten allemal: man berauscht sich am Bild des Verführers, des Verbrechers, des Dämons, der auf eine Person verdichteten Schuld. Das alter ego Hitler tritt den Deutschen so als wohlbekannter Fremder entgegen, auf den man seine Verantwortung abladen kann. Das Individuum wie das nationale Kollektiv wollen sich unbelastet sehen: In der stets vehementen Abwehr des Vorwurfs einer Kollektivschuld, der selbst dann hysterisch abgewehrt wird, wenn er gar nicht erhoben wird, flüchtet sich nicht nur der Einzelne aus der individuellen Verantwortung, sondern er rettet sogleich sein nationales Kollektiv vor der Denunziation, um sich weiter mit ihm ungebrochen identifizieren zu können.
Und doch: Jeder einzelne Jude ist nach 1945 den Deutschen eine höchst unwillkommene Erinnerung an das Verbrechen der Shoa. So entwickelte sich ein Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz, den man als sekundären Antisemitismus bezeichnen kann. Der israelische Psychoanalytiker Zvi Rex hat es auf den Punkt gebracht, als er meinte: »Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.«
Scham und Schuldabwehr amalgamieren sich dabei, wenn auch auf klassische judenfeindliche Äußerungen – die inzwischen außerhalb der gesellschaftlichen Opportunität liegen – verzichtet wird. Aus der Angst, sich politisch als von nationalsozialistischer Ideologie infiziert zu demaskieren, bildet sich eine innere wie äußere Zensur heraus. Deshalb kommt es spätestens seit den 1960er Jahren zu einer Transformation der Codes; und auch wenn die Ranküne sich seit je gegen einzelne Juden richtete, so kapriziert sie sich doch nun vorrangig auf Israel. Der jüdische Staat ist den Deutschen unerträgliche Erinnerung ebenso an den Judenmord wie an das Misslingen der deutschen »Endlösung der Judenfrage«. Im Gefolge des sekundären Antisemitismus entwickelt sich, wie es der österreichische Kritiker Jean Améry einmal formulierte, mit dem Antizionismus der ehrbare Antisemitismus, der gegen Israel sich richtend historisch nicht vorbelastet erscheint und darum gesellschaftlich opportun ist: »Der Antisemitismus, enthalten im Anti-Israelismus oder Anti-Zionismus wie das Gewitter in der Wolke, ist wiederum ehrbar.«
Derweil gerät die Notwendigkeit der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen den Deutschen immer mehr aus dem Blickfeld; sie wird allenfalls als pflichtschuldiges Ritual absolviert, mit dem man vom Vergangenen nur schnell loszukommen gedenkt. In seinen Überlegungen Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? [3] von 1959 befürchtet Theodor W. Adorno, mit dieser Frage wäre »im Sprachgebrauch eben nicht gemeint, dass man das Vergangene im Ernst verarbeite, seinen Bann breche durch helles Bewusstsein. Sondern man will einen Schlussstrich darunter ziehen und womöglich es selbst aus der Erinnerung wegwischen. Der Gestus, es solle alles vergessen und vergeben sein, der demjenigen zustünde, dem Unrecht widerfuhr, wird von den Parteigängern derer praktiziert, die es begingen.« Dabei aber bestand in der Bundesrepublik seit je weniger die Gefahr der Renaissance des Dritten Reiches, als vielmehr eines neuen, eines demokratiekompatiblen Antisemitismus. Deshalb betrachtet Adorno auch »das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie.«
1968 als Chance
Die Stundentenbewegung der Jahre 1967/68 und folgend bezieht in Deutschland seine wesentliche Motivation daraus, mit der Vergangenheit, und also mit den Taten und Täterbiografien der Nazi-Generation, entschieden zu brechen. Sie bezieht Ihre Motivation auch aus dem misslungenen Versuch der Eltern, sich mittels Leugnung oder Verdrängung der Vergangenheit zu entledigen. Durch den radikal ausgetragenen Generationenkonflikt scheint es den jungen Studenten möglich, da bei ihnen von persönlicher Schuld wirklich nicht mehr die Rede sein kann, sich von den Verbrechen zu exkulpieren und die historische Schuld den Alten zuzuweisen.
Doch diese historische Chance wird zum historisches Versagen: Mit dem öffentlich vollzogenen Bruch zur Nazi-Generation dispensiert man sich zugleich vom geschichtlichen Erbe und der politischen Verantwortung. Man will von der Vergangenheit loskommen, indem man sie den Alten zuordnet, ohne sich selbst und die eigenen politischen Grundfesten in Frage zu stellen. Sich dabei emanzipatorisch und antifaschistisch zu geben, taugt nicht nur als Affront gegen die Alten, es ist auch probates Mittel zur Befriedung des eigenen Gewissens und Voraussetzung der eigenen Enthemmung. Der symbolische Bruch mit den Eltern ist keiner mit der antisemitischen Kontinuität, und deshalb auch erledigt die neue deutsche Linke schon im Entstehen jeden kritischen Begriff von Emanzipation und Antifaschismus. Mit der Neuen Linken entsteht auch ein Neuer Antisemitismus.
Am 9. November 1969, dem Jahrestag der Pogromnacht von 1938, tickt im Foyer des jüdischen Gemeindehauses in Westberlin eine Bombe. Sie explodiert nur aufgrund eines technischen Defektes nicht. Die Bombeleger nennen sich Tupamaros, sie sind eine linke Gruppe im Gefolge der Studentenbewegung; einer ihrer Masterminds ist der damals in der Linken höchst populäre Kommunarde Dieter Kunzelmann. Von ihm stammt das Verdikt: »Palästina ist für die BRD und Europa das, was für die Amis Vietnam ist.« Die Bombe ist der erste militante Höhepunkt des neuen, des antizionistischen und linken Antisemitismus. Mit ihr entstellt sich die deutsche Studentenbewegung bis zur Kenntlichkeit.
Der Düsseldorfer Historiker Ralf Balke hat in einem Essay über die Genossen Judenhasser resümiert: »Antizionismus und Palästina-Solidarität waren offiziell die Motive, doch anhand der Sprache Kunzelmanns, der immer wieder gerne von ›Scheißjuden‹ und ›Saujuden‹ sprach, kann dies wohl nur als Camouflage eines virulent antisemitischen Weltbildes gedeutet werden ... Palästina gleich Vietnam, Faschismus gleich Zionismus, Israel gleich ›Drittes Reich‹ und Al-Fatah gleich Antifaschismus – so lauteten damals die Zauberformeln der Tupamaros West-Berlin, die aufgrund ihrer Griffigkeit und Simplizität offensichtlich eine verheerende Faszination auf Teile der deutschen Linken ausübten. Aber noch viel mehr. Sie beinhalteten darüber hinaus nämlich auch das Angebot, sich vom ›Judenknax‹, wie es Kunzelmann immer wieder nannte, dem Schuldgefühl für die von den Deutschen begangene Vernichtung des europäischen Judentums, zu befreien.« [4]
Einige deutsche Linke fanden über die Ausbildungscamps von Arafats Al-Fatah-Bewegung ihren Weg in den Terrorismus. 1976 entführt ein deutsch-palästinensisches Kommando eine Air France Maschine nach Entebbe. Wilfried Böse, Anführer der Revolutionären Zellen, unternimmt dabei an Bord die erste von einem Deutschen durchgeführte Selektion zwischen Juden und Nichtjuden seit dem Zweiten Weltkrieg.
So sehr es in den Post-68er Linken grundsätzliche Kritik an der Militanz gab, so war der antizionistische Antisemitismus selbst kaum Grund zum Dissens. Mit dem Sechs-Tage-Krieg hatte sich bei den rebellierenden Studenten längst der scheinrationale Grund gefunden, sich vehement, inbrünstig moralisch und aus vorgeblich antifaschistischen Motiven gegen den jüdischen Staat wenden zu können.
Der Politikwissenschaftler Stephan Grigat beschreibt in einem Aufsatz über das Verhältnis von Kritischer Theorie und Zionismus die Reaktionen Adornos auf diese Entwicklung: »Am 5. Juni 1967, dem, Tag des Ausbruchs des Sechs-Tage-Krieges, schrieb Adorno an seine Wiener Freundin Lotte Tobisch: ›Wie machen uns schreckliche Sorgen wegen Israel ... Man kann nur hoffen, dass die Israelis einstweilen immer noch militärisch den Arabern soweit überlegen sind, dass sie die Situation halten können.‹ ... Zwei Jahre später war Adorno vom Niederbrüllen des israelischen Botschafters in Frankfurt durch deutsche linke und arabisch-nationalistische Studenten dermaßen entsetzt, dass er in einem Brief an Herbert Marcuse gar von der Gefahr eines Umschlagens der Studentenbewegung in Faschismus sprach.« [5]
Der Sechs-Tage-Krieg wurde zum Vorwand der pro-palästinensischen Wende der deutschen Linken; die Studentenbewegung selbst ermöglichte den ersten Höhepunkt des Neuen Antisemitismus in Deutschland. Er trat mit antifaschistischem, progressivem Gestus auf und behauptete, kein Judenhass mehr zu sein. Der Jude war nun vielmehr ein Jude unter den Staaten, wie es Hannah Arendt einmal formulierte: Israel.
Germany reloaded
Die antiisraelische Stimmung in Deutschland, bei der allenfalls noch gönnerhaft das Existenzrecht Israel eingeräumt wird, um sogleich Israels Verteidigung gegen den militarisierten Judenhass von Hamas bis Hisbollah in den Kategorien »Menschenrechtsverletzungen«, »Massaker« oder auch »Vernichtungskrieg« zu beschreiben, hat sich nicht zuletzt in den letzten Jahren verfestigt, da die Generation der 1968er die kulturelle und politische Hegemonie erlangte.
Dabei wirkten die Zweite ›Intifada‹, Nine-Eleven und der War on Terror als Katalysator für das antisemitische Ressentiment, das sich immer schon im postnazistischen Deutschland mit dem antiamerikanischen amalgamierte. Paul Spiegel, damals Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, bemerkte 2002 ungewöhnlich undiplomatisch: »Anstatt gegen Antisemitismus zu mobilisieren – was hier zu Lande tatsächlich etwas Neues wäre –, wird in Sachen Feindmarkierung eher der Schulterschluss mit den Antisemiten praktiziert.«
Die jüngste deutsche Geschichte ist aber nicht nur von einer Verfestigung der antiisraelischen Stimmung gekennzeichnet. Um den als ›Israelkritik‹ daherkommenden Antisemitismus moralisch weiterhin zu legitimieren, werden erheblich Anstrengungen unternommen, sich als vom klassischen Antisemitismus, mithin vom Nationalsozialismus geläutert darzustellen. Beton gewordener Ausdruck dieser Bemühung ist die Errichtung des 2005 eröffneten Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas: auf einer Fläche von 19.000 Quadratmetern sind 2.711 Betonquader in parallelen Reihen aufgestellt. Der damalige Bundeskanzler Schröder wünschte sich seinen »Ort, an den man gerne geht«, und gab so seiner Unbekümmertheit ob der deutschen Vergangenheit Ausdruck. Schröder durchbrach für einen Moment die liturgisch gewordenen Bekenntnis- und Verantwortungsrhetoriken deutscher Erinnerungspolitik und hat in seiner Fehlleistung Ehrlichkeit walten lassen.
Ferner müht man sich in Deutschland beinahe zwanghaft um ein unverkrampftes Verhältnis zur eigenen Nation. Ausdruck dieser Bemühungen um die bruch- und damit notwendig geschichtslose nationale Identifikation war die Kampagne im Jahre 2005 mit dem Titel »Du bist Deutschland«. Dutzende deutsche Unternehmen unter Federführung des Medienkonzerns Bertelsmann meinten: »Die Deutschen plagt eine kollektive Depression. Damit soll Schluss sein.« und plakatierten und sendeten für dreißig Millionen Euro nationale Wohlfühlpropaganda.
Und schließlich sind mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Nationalsozialismus auch die Bemühungen weitestgehend erfolgreich gewesen, die Shoa zu historisieren und sich damit auch von individueller und politischer Verantwortlichkeit – nicht nur für Vergangenes, sondern auch für Heutiges – zu dispensieren. Wohl kommt man an den Fakten der Vergangenheit lang nicht mehr vorbei; doch was sich schon im Gruppenexperiment abzeichnete, wirkt heute, zwei bis drei Generationen später, noch immer fort. Der Sozialpsychologe Harald Welzer veröffentlichte 2002 eine Studie über Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis unter dem bezeichnenden Titel: »Opa war kein Nazi« [6]. Er unterstreicht den Unterschied zwischen kognitivem Geschichtswissen, wie es beispielsweise in den Schulen vermittelt wird, dass vor allem ein Faktenwissen ist, und emotionalen Vorstellungen über die Vergangenheit, die sich intergenerationell tradieren, und die eher als das kognitive Wissen dazu angetan sind, selbstreflexive Fragen individueller Moral und politischer Einstellungen zu motivieren. Welzer stellt fest: »Paradoxerweise scheint es gerade die gelungene Aufklärung über die Verbrechen der Vergangenheit zu sein, die bei Kindern und Enkeln das Bedürfnis erzeugen, die Eltern und Großeltern im nationalsozialistischen Universum des Grauens so zu platzieren, dass von diesem Grauen kein Schatten auf sie fällt.«
Es soll also dem Bedürfnis entsprochen werden, die Verbrechen der Nazis und die moralische Integrität innerhalb des eigenen Kollektivs, wenigstens innerhalb der eigenen Familie, zu vereinbaren. Indem die gesamte Verantwortlichkeit für Krieg und Shoa einer kleinen Clique um Hitler zugewiesen wird, wird es einfach, seine Eltern und Großeltern von der Täterschaft freizusprechen, und gar zu Opfern zu stilisieren: Opfer von Krieg, Vergewaltigung, Gefangenschaft, Mangel und Not. Wer so sehr Opfer ist, kann kein Täter gewesen sein. In diesen Narrativen verschwinden die eigentlichen Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen; sie tauchen allenfalls dann auf, wenn die Alten als deren Beschützer oder gar Retter inszeniert werden. Harald Welzer resümiert, dass Opferkonstruktionen und Umkehrungen der historischen Täter- und Opferrollen im so genannten Familiengespräch eine dominante Rolle spielen, wobei die historische Wahrheit zumeist anders aussieht.
In den Erzählungen von deutschem Leiden tauchen zunehmend Bilder auf, die aus dem Kontext der Shoa stammen: Lager, Leichenhaufen, verhungernde Gefangene, Stacheldraht... Diese höchst emotionsgeladenen Bilder aber werden von ihrem Entstehungszusammenhang sukzessive abgelöst, stehen als ›Ikonen der Vernichtung‹ als Synonym für ein unspezifisches, unsägliches Grauen. Sie werden in den Viktimisierungsgeschichten der Deutschen neu kontextualisiert; mit ihnen werden auch die durch sie evozierten Emotionen umgelenkt. Die Leiden der Juden in der Shoa, ja die jüdischen Opfer selbst, werden so derealisiert.
Die Historisierung der Shoa, die Neubewertung von Geschichte im Gefolge der Täter-Opfer-Verkehrung, die De- und Re-Kontextualisierung der Bilder der Shoa: dies alles wird befördert von öffentlichen und medial inszenierten Debatten, in denen bspw. die ›Flucht und Vertreibung der Deutschen‹ oder der ›Bombenterror gegen die Deutschen‹ in den Mittelpunkt gestellt werden. Doch bleibt immer noch ein Rest lastenden Gewissens im Gefolge der Befreiung von Verantwortung aus Geschichte. Eben deshalb wird auf Israel abgezielt, werden bspw. die ›Flucht und Vertreibung der Palästinenser‹ oder der ›Bombenterror gegen die Palästinenser‹ behauptet. Es offenbart sich das wahnhaft-projektive Moment, die Nazi-Vergangenheit dem heutigen Israel anzudichten um in Form der Zionisten mit den Juden abzurechnen.
Die Grenzen der Aufklärung
Im Jahre 1946 erschien in den Vereinigten Staaten ein Sammelband [7], der erst mit 47 Jahren Verspätung auch in Deutschland einen Verleger fand [8]; dabei waren doch die Autoren fast ausnahmslos einst emigrierte deutsche Juden, und das Thema war ein deutsches: »Anti-Semitism. A Social Desease«. Dieses Buch ist ein historisches Dokument, da kritische Theoretiker hier den klassischen, den rassistischen Antisemitismus ins Visier nehmen. Das Buch ist aber zugleich eine aktuelle Anregung, den psychoanalytischen Ansätzen nachzugehen, die auch den neuen, den antizionistischen Antisemitismus zu erhellen vermögen, um nicht gänzlich ohnmächtig vor dem sich Abzeichnenden verharren zu müssen.
Denn hier schärft Ernst Simmel, ein Schüler Freuds, das Bewusstsein dafür, dass der Antisemitismus »die Manifestation eines pathologischen seelischen Prozesses« ist. Heute noch stellt sich die Frage: Welche irrationalen und emotionalen Bedürfnisse haben die Einzelnen, wie werden diese familiär, kollektiv und gesellschaftlich produziert und reproduziert? Dass zumal aus deutscher Geschichte – individuell und kollektiv – sich viel Psychotisches ergibt, liegt auf der Hand. Simmel erinnert: »Die psychoanalytische Erforschung der Charakterbildung hat uns gelehrt, dass irrationale Ideen in Verein mit irrationalen Handlungsimpulsen dem Bedürfnis des Individuums dienen, eine pathologische Störung zu überwinden, und sein seelisches Gleichgewicht wieder zu finden.«
Max Horkheimer warnt: »Ein bloßer Appell an den bewussten Geist genügt nicht, weil Antisemitismus und antisemitische Propaganda dem Unbewussten entspringen.« Heute nun wissen wir: Re-Education und Holocaust-Education haben zwar ein umfassendes kognitives Geschichtswissen produziert, und dennoch ist der Wahn längst nicht gebrochen. Die Möglichkeiten der Aufklärung, das Insistieren auf Vernunft, das Erinnern an Vergangenes – dies alles scheint erschöpft. Und es ist ebenso hilflos, gegen den antizionistischen Antisemitismus vor allem mit Fakten argumentieren zu wollen. Denn der antisemitische Wahn schert sich nicht um Fakten.
Zu verstehen ist vielmehr, dass die Deutschen sich heute in der zweiten und dritten Generation nach den Tätern immer noch in einer höchst problematischen Lage befinden: Ein kritischer, selbstreflexiver Prozess der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hat nie stattgefunden, vielmehr hat man Strategien versucht, zu verdrängen und zu verleugnen, zu ritualisieren und zu historisieren, sich selbst stets aus der konkreten Verantwortung zu nehmen. Der erfolgreichen Tabuierung des Nationalsozialismus steht das ganz Unaufgearbeitete gegenüber: Dies aber hat die Transformation des delegitimierten rassistischen in einen opportunen antizionistischen Antisemitismus in Gang gesetzt.
Und Otto Fenichel betont in seinem Aufsatz über die Elemente einer psychoanalytischen Theorie des Antisemitismus, dass Menschen stets bereit sind, »Hinweise und Vermutungen für wahr zu halten, die ihnen irgendeinen Vorteil bringen.« Die pazifistische Läuterung der Deutschen – »Nie wieder Krieg!« – und der antifaschistische Gestus – »Nie wieder Faschismus!« – kulminieren heute im unausgesprochenen aber politisch vollzogenen Dogma »Nie wieder Krieg gegen Faschismus!« Aus der antiisraelischen Propaganda ist dabei sehr wohl ein Vorteil zu ziehen: das pazifistische, das antifaschistische und das antisemitische Bedürfnis werden zugleich befriedigt. Das Schreiten zur Tat wird den brothers in crime, den bewaffneten islamistischen Rackets überlassen; das eigene Gewissen bleibt abermals unbeschwert.
Aus diesen Überlegungen ist wohl kaum ein positiv bestimmtes politisches Programm ableitbar. Doch auch wenn die Aufklärung des Antisemiten selbst seine Grenzen hat, so wäre eine kritische Aufklärung über den Antisemitismus ein notwendiger Wissensfortschritt. Die Anstrengung des Begriffs darf nicht bei den Phänomenen selbst enden; jede Intervention geht nämlich fehl, wenn sie nicht sowohl auf den Antisemitismus als kulturell und gesellschaftlich tradiertes Problem in seinen Kontinuitäten und Transformationen reflektiert, als auch die sich darin manifestierende kollektive Psychose zu ergründen versucht.
Eine solche Aufklärung wäre auch ein notwendiger Naivitätsverlust. Wie eingangs schon erwähnt: 77% der Deutschen glauben, Israel habe einen negativen Einfluss auf die Welt. Deutschland – mehr als 60 Jahre nach Kriegsende, ist weit davon entfernt, die eigene Vergangenheit kritisch reflektiert und den Antisemitismus in allen, erst recht den modifizierten Formen abgelegt zu haben. Zwar glauben die Deutschen tatsächlich, keine Antisemiten, sondern ›Israelkritiker‹ zu sein. Doch die Realität ist eine andere: Im Neuen Antisemitismus findet Deutschland zu alter Form.
[1] BBC World Service Poll: Israel and Iran share the most negative ratings in global poll.
[2] Max Horkheimer: Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung. Notizen in Deutschland. Frankfurt am Main.: S. Fischer Verlag, 1974
[3] Theodor W. Adorno: Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? in: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften Band 10.2, Kulturkritik und Gesellschaft II, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1977
[4] Ralf Balke: Genosse Judenhasser
[5] Stephan Grigat: Befreite Gesellschaft und Israel. Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Zionismus. in: Stephan Grigat (Hg.): Feindaufklärung und Reeducation. Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus. Freiburg: ça-ira-Verlag 2006
[6] Harald Welzer, Sabine Moller, Karoline Tschugnall: »Opa war kein Nazis«. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis. Frankfurt am Main: Fischer, 2002
[7] Ernst Simmel (ed.): Anti-Semitism. A Social Desease. New York/Boston: International Universities Press, 1946
[8] Ernst Simmel (Hg.): Antisemitismus. Frankfurt: Fischer, 1993
Dieser Essay erscheint im Spätsommer im Jahrbuch »Mentalities« in englischer Sprache.
Vorsatz: Keine Antisemiten, nirgendwo?
Glaubt man dem heutigen Selbstverständnis der Deutschen, so gibt es, abgesehen von einer kleinen und gesellschaftlich geächteten Randgruppe Rechtsradikaler, keine Antisemiten mehr im Lande. Die postnazistische Bundesrepublik gibt sich mit einigem Erfolg pazifistisch und antifaschistisch geläutert. Doch dies ist kritisch zu hinterfragen.
Das Vorhaben dieses Textes ist es, die Oberfläche dieses Selbstbildes, so wie es offiziell bekundet wird, zu durchdringen, einige wesentliche Chiffren herauszuarbeiten und in der Konsequenz dessen auch die Lektionen, die man aus deutscher Geschichte gelernt zu haben meint, in Frage zu stellen. Zwar ist der klassische, der völkisch-rassistische Antisemitismus tatsächlich Geschichte. Doch das antisemitische Bedürfnis ist nahezu ungebrochen geblieben. Es hat in einem neuen Antisemitismus seinen zeitgenössischen Ausdruck gefunden.
Interessant an Deutschland ist vor allem, dass mit dem Ende des Nationalsozialismus die innere und äußere Notwendigkeit, mit jeder Form des klassischen Antisemitismus vollends zu brechen, weitaus größer war, als in anderen Staaten Europas. Nur so bot sich die Chance, das deutsche Verbrechen, das auf den Tätern doch wie ein Alb drücken musste, zu entwirklichen; nur so akzeptierten die alliierten Sieger die Wiedereingliederung Deutschlands in die Zivilisation. Doch weil die alten Formen unmöglich geworden waren, prägten sich hier die neuen, noch unbelasteten Formen des Antisemitismus früher und in deutlicherer Form als anderswo aus. Deutschland wurde zum role model für den antizionistischen Antisemitismus, der sich bis heute euphemistisch als »Israelkritik« ausgibt.
In einer Umfrage der BBC vom Frühjahr 2007 äußern 77% der Deutschen, Israel habe einen negativen Einfluss auf die Welt. [1] Diese unglaublichen Zahlen werden in keinem anderen europäischen Land erreicht; selbst in der islamischen Welt weisen nur der Libanon und Ägypten ähnlich drastische Werte auf. Das sich hier aussprechende Verhältnis der Deutschen zu Israel ist von keiner Realität israelischer Politik und ihrer vernünftigen Beurteilung gedeckt. Dieses nun auf die Formel »Ressentiment« zu verdichten, reicht aber nicht hin. Nachfolgend sollen deshalb – notwendig rhapsodisch – unter Rekurs auf die Überlegungen der Kritischen Theorie, wie sie zuvörderst von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno entwickelt wurden, die Kontinuitäten und Transformationen einer kollektiven Psychose beleuchtet werden.
Stunde Null
Zum Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland gehört die Behauptung, mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges habe es eine Stunde Null gegeben; nicht nur Europa, auch die Deutschen selbst wären vom Nationalsozialismus befreit worden. Mit dem Ende des Hitler-Regimes sollte geschichtsvergessen ganz neu begonnen werden. Schon aus der Rede von einer angeblichen Stunde Null, die von Vergangenem nichts mehr wissen will, und von eigener Schuld schon gar nicht, spricht offensichtlich Abwehr.
Das aus der amerikanischen Emigration nach Frankfurt am Main zurückgekehrte Institut für Sozialforschung, das seit je einen interdisziplinären Ansatz von philosophischer, soziologischer und psychoanalytischer Erörterung gesellschaftlicher Probleme pflegte, wollte in seinem ersten Projekt nach dem Kriege erfahren, in welcher politischen und moralischen Verfasstheit sich das Land befindet, in dem man es nun aufs Neue versuchen wollte. Im so genannten Gruppenexperiment wurden quantitativ und qualitativ Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung der gerade gegründeten Bundesrepublik zu wesentlichen gesellschaftlichen und politischen Fragen untersucht. Verschiedene Personengruppen wurden dazu angehalten, unter zurückhaltender Moderation über einen fiktiven Brief eines amerikanischen Soldaten zu diskutieren, durch den als gezielt gesetzten Grundreiz vernünftiges, autoreflexives Raisonnieren ebenso wie auch aufschlussreiche Affekte provoziert werden sollten. Diese Gespräche wurden transkribiert und eingehend analysiert. Es ging also weniger darum, dem »Ideal der Zähl- und Messbarkeit« zu genügen, als vielmehr »durch theoretische Besinnung die Daten auf den traditionellen Lebensprozess der Gesellschaft« zu beziehen, mit dem Ziel, ihn nicht zuletzt durch psychoanalytische Untersuchung zu erhellen.
Diese Arbeit, die sich in weitem Maße an der Psychologie in ihrer freudschen Gestalt orientierte und die psychosozialen Massenphänomene aus der Dynamik der einzelnen Individuen in der Gruppe – deshalb Gruppenexperiment statt Individualinterview – zu verstehen versuchte, zeigte, dass der Konformismus und die ungeheure Gewalt der Identifikationsmechanismen mit dem eigenen Kollektiv, dem nationalen, nach 1945 schier ungebrochen fortwirkten. Mechanismen wie falsche Projektion, mechanische Reaktionsbildung, verdrängtes Schuldgefühl – allesamt in der Zone der Abwehr des Unbewussten durch das Ich zu verorten, und im Widerspruch zur objektiven Realität ihren irrationalen Charakter offenbarend – machten dieses Fortwirken evident.
Theodor W. Adorno nannte seine Teilstudie deshalb: Schuld und Abwehr. Er stellte heraus: »Wenn an die Nervenpunkte der Schuld gerührt wird, wird es besonders deutlich, wie viele der Angesprochenen fast mechanisch sich eines bereits vorliegenden Vorrats von Argumenten bedienen, so dass ihr individuelles Urteil nur eine sekundäre Rolle zu spielen scheint: die eines selektiven Faktors im Verhältnis zu jenem Vorrat.«
Dieser Vorrat von Argumenten ist vielfältig: individuelle Selbstentlastung, Übertragung jeder Verantwortung an die einstigen Autoritäten, Leugnen oder Herunterspielen des damals Gewussten und des heute Wissbaren, Aufrechnung vermeintlicher Schuldkonten, Betonung des eigenen Kriegsleids, Relativierung der deutschen Kriegsschuld, Betonung der Wirkung von Propaganda und Terror etc. Auch wenn sich hier jeweils ganz unterschiedliche Ausprägungen feststellen ließen – im Gruppenexperiment wird zwischen offen nationalsozialistischen, ambivalenten und eher verständigungswilligen Personen unterschieden –, so waren doch fast ausnahmslos bei allen Beteiligten Motive der Abwehr zu erkennen.
Im sich oft aggressiv äußernden Drang der Abwehr gehen die Realitätsbezüge, geht auch die Logik der vorgetragenen Argumente in die Brüche. Dies verweist auf einen psychotischen Charakter. Durch die Dynamik in der Gruppe, in der die Diskussion über den fingierten Brief ablief, ermutigt, durchschlug der Affekt oft die rationale Kontrolle; dass Geäußerte ist dabei mitnichten ein Fauxpas, sondern vielmehr wirklich Gedachtes und im Affekt erst ungehemmt nach Außen Gebrachtes.
Das ließ Adorno schlussfolgern: »Wir dürfen von der Annahme ausgehen, dass tatsächlich eine latente Erfahrung von Schuld vorliegt und dass diese Erfahrung verdrängt und rationalisiert wird. Aber sie muss die Über-Ich-Instanzen der meisten Versuchsteilnehmer in irgendeiner Weise belasten.« Doch gerade dadurch, dass sich der Schuld nicht gestellt wurde, diese nicht in einen Prozess der kritischen Autoreflexion gebracht wurde, dauerte die Belastung unverändert an, schien jede Möglichkeit auf Katharsis unmöglich. Eine Stunde Null gab es nicht, konnte es auch gar nicht geben. Auf die unermessliche Schuld folgte nicht kritische Aufarbeitung des Vergangenen, sondern Abwehr.
Sekundärer Antisemitismus
Die beschriebene Studie des Frankfurter Instituts für Sozialforschung bezieht sich auf die Zeit unmittelbar nach Gründung der Bundesrepublik. Wiewohl bis dahin mit den Nürnberger Prozessen und einer von den westlichen Alliierten erzwungenen Re-Education der Deutschen eine Entnazifizierung hätte beginnen können erste Wirkung zu zeigen, so lassen diese Bemühungen doch mit Gründung der Bundesrepublik schon nach. Um die so früh wieder souveränen Westdeutschen als Bündnispartner im Kalten Krieg zu gewinnen, wird ihnen die nationalsozialistische Vergangenheit nachgesehen; die Entnazifizierung kommt, nun Sache der Deutschen selbst, zum Erliegen. Erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre etablieren sich erste selbstkritische Ansätze einiger weniger, während eine Welle antisemitischer Vorfälle aus dem rechtsradikalen Milieu das Fortwirken des Nationalsozialismus evident macht. Hier nun setzt der offiziöse neue deutsche Weg ein, die sofort zum Ritual erstarrte, konsequenzlose Erinnerung an die Verbrechen in die nationale Identität zu integrieren.
Der Direktor des Instituts für Sozialforschung notiert zu dieser Zeit: »Nirgendwo in zivilisierten Ländern ist so wenig Grund zum Patriotismus wie in Deutschland, und nirgendwo wird von den Bürgern weniger Kritik am Patriotismus geübt als hier, wo er das Schlimmste vollbracht hat. Berlin, die Wiedervereinigung, die Gebiete jenseits der Oder des zu Recht besiegten Deutschlands werden zu Stimulantien der neuen patriotischen Gesinnung, die von einem unheimlichen Willen gegen inneren, ja gegen äußeren Widerspruch sich ausbreitet. Unansprechbar, weil unreflektiert und von keinem vernünftigen Grund gestützt, vom Westen schlau die Reputation erborgend, man sei ein liberales Volk, man teile die politische Geschichte mit der freien Welt, schickt man sich an, der Freiheit den nächsten Streich zu spielen. Der Kotau vor den Widerstandskämpfern, die offiziellen Absagen an den Antisemitismus, von den Synagogenbesuchen der Bürgermeister bis zum Schweigen bei Anne Frank, all dieses bereits kleinlaut und formell gewordene Schuldgetue hat bloß die Funktion, sich zum rechten Patriotismus wieder das gute Gewissen zu machen, sofern es nicht bloße Reklame für amerikanische Foundations ist. Der Patriotismus in Deutschland ist so furchtbar, weil er grundlos ist.« [2]
Im Rahmen dieser offiziösen Politik der konsequenzlosen Integration der Verbrechen in die nationale Identität wurde es jedoch zumindest schwieriger, die eigenen Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus abzustreiten oder für übertrieben zu erklären. Die Verdrängung wurde zunehmend zur Unmöglichkeit. Die Zugeständnisse an die historische Wahrheit wurden aber allemal als Zumutung verstanden, und eben nicht als politische wie moralische Verantwortung zu eigen gemacht. Die Reaktionen auf diese veränderte Situation waren sehr unterschiedlich. Hartgesottene Nationalsozialisten leugneten entweder die Tatsache des Judenmordes gänzlich, oder aber sie rechtfertigten sie als notwendige Maßnahme – ganz der alten Ideologie treu bleibend. In beiden Fällen hatte das Gewissen seine Ruhe.
Die weniger Entschiedenen aber hatten und haben sich noch heute mit moralischen Problemen herumzuplagen. Sie mühten sich vor allem, die Schuld am Begangenen möglichst plausibel so zu konstruieren, dass man selbst makellos ausgeht. Das Autoritätsprinzip gestattet es, den einstigen Führen, die nun nicht mehr am Leben sind, alle Verantwortung zuzuschieben. Dies findet in Deutschland bis heute in einer auffälligen Hitler-Obsession seinen Ausdruck: Kaum ein Tag vergeht, ohne dass nicht in Radio oder Fernsehen wieder ein Betrag über ihn und seine Taten läuft, mit besten Einschaltquoten allemal: man berauscht sich am Bild des Verführers, des Verbrechers, des Dämons, der auf eine Person verdichteten Schuld. Das alter ego Hitler tritt den Deutschen so als wohlbekannter Fremder entgegen, auf den man seine Verantwortung abladen kann. Das Individuum wie das nationale Kollektiv wollen sich unbelastet sehen: In der stets vehementen Abwehr des Vorwurfs einer Kollektivschuld, der selbst dann hysterisch abgewehrt wird, wenn er gar nicht erhoben wird, flüchtet sich nicht nur der Einzelne aus der individuellen Verantwortung, sondern er rettet sogleich sein nationales Kollektiv vor der Denunziation, um sich weiter mit ihm ungebrochen identifizieren zu können.
Und doch: Jeder einzelne Jude ist nach 1945 den Deutschen eine höchst unwillkommene Erinnerung an das Verbrechen der Shoa. So entwickelte sich ein Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz, den man als sekundären Antisemitismus bezeichnen kann. Der israelische Psychoanalytiker Zvi Rex hat es auf den Punkt gebracht, als er meinte: »Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.«
Scham und Schuldabwehr amalgamieren sich dabei, wenn auch auf klassische judenfeindliche Äußerungen – die inzwischen außerhalb der gesellschaftlichen Opportunität liegen – verzichtet wird. Aus der Angst, sich politisch als von nationalsozialistischer Ideologie infiziert zu demaskieren, bildet sich eine innere wie äußere Zensur heraus. Deshalb kommt es spätestens seit den 1960er Jahren zu einer Transformation der Codes; und auch wenn die Ranküne sich seit je gegen einzelne Juden richtete, so kapriziert sie sich doch nun vorrangig auf Israel. Der jüdische Staat ist den Deutschen unerträgliche Erinnerung ebenso an den Judenmord wie an das Misslingen der deutschen »Endlösung der Judenfrage«. Im Gefolge des sekundären Antisemitismus entwickelt sich, wie es der österreichische Kritiker Jean Améry einmal formulierte, mit dem Antizionismus der ehrbare Antisemitismus, der gegen Israel sich richtend historisch nicht vorbelastet erscheint und darum gesellschaftlich opportun ist: »Der Antisemitismus, enthalten im Anti-Israelismus oder Anti-Zionismus wie das Gewitter in der Wolke, ist wiederum ehrbar.«
Derweil gerät die Notwendigkeit der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen den Deutschen immer mehr aus dem Blickfeld; sie wird allenfalls als pflichtschuldiges Ritual absolviert, mit dem man vom Vergangenen nur schnell loszukommen gedenkt. In seinen Überlegungen Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? [3] von 1959 befürchtet Theodor W. Adorno, mit dieser Frage wäre »im Sprachgebrauch eben nicht gemeint, dass man das Vergangene im Ernst verarbeite, seinen Bann breche durch helles Bewusstsein. Sondern man will einen Schlussstrich darunter ziehen und womöglich es selbst aus der Erinnerung wegwischen. Der Gestus, es solle alles vergessen und vergeben sein, der demjenigen zustünde, dem Unrecht widerfuhr, wird von den Parteigängern derer praktiziert, die es begingen.« Dabei aber bestand in der Bundesrepublik seit je weniger die Gefahr der Renaissance des Dritten Reiches, als vielmehr eines neuen, eines demokratiekompatiblen Antisemitismus. Deshalb betrachtet Adorno auch »das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie.«
1968 als Chance
Die Stundentenbewegung der Jahre 1967/68 und folgend bezieht in Deutschland seine wesentliche Motivation daraus, mit der Vergangenheit, und also mit den Taten und Täterbiografien der Nazi-Generation, entschieden zu brechen. Sie bezieht Ihre Motivation auch aus dem misslungenen Versuch der Eltern, sich mittels Leugnung oder Verdrängung der Vergangenheit zu entledigen. Durch den radikal ausgetragenen Generationenkonflikt scheint es den jungen Studenten möglich, da bei ihnen von persönlicher Schuld wirklich nicht mehr die Rede sein kann, sich von den Verbrechen zu exkulpieren und die historische Schuld den Alten zuzuweisen.
Doch diese historische Chance wird zum historisches Versagen: Mit dem öffentlich vollzogenen Bruch zur Nazi-Generation dispensiert man sich zugleich vom geschichtlichen Erbe und der politischen Verantwortung. Man will von der Vergangenheit loskommen, indem man sie den Alten zuordnet, ohne sich selbst und die eigenen politischen Grundfesten in Frage zu stellen. Sich dabei emanzipatorisch und antifaschistisch zu geben, taugt nicht nur als Affront gegen die Alten, es ist auch probates Mittel zur Befriedung des eigenen Gewissens und Voraussetzung der eigenen Enthemmung. Der symbolische Bruch mit den Eltern ist keiner mit der antisemitischen Kontinuität, und deshalb auch erledigt die neue deutsche Linke schon im Entstehen jeden kritischen Begriff von Emanzipation und Antifaschismus. Mit der Neuen Linken entsteht auch ein Neuer Antisemitismus.
Am 9. November 1969, dem Jahrestag der Pogromnacht von 1938, tickt im Foyer des jüdischen Gemeindehauses in Westberlin eine Bombe. Sie explodiert nur aufgrund eines technischen Defektes nicht. Die Bombeleger nennen sich Tupamaros, sie sind eine linke Gruppe im Gefolge der Studentenbewegung; einer ihrer Masterminds ist der damals in der Linken höchst populäre Kommunarde Dieter Kunzelmann. Von ihm stammt das Verdikt: »Palästina ist für die BRD und Europa das, was für die Amis Vietnam ist.« Die Bombe ist der erste militante Höhepunkt des neuen, des antizionistischen und linken Antisemitismus. Mit ihr entstellt sich die deutsche Studentenbewegung bis zur Kenntlichkeit.
Der Düsseldorfer Historiker Ralf Balke hat in einem Essay über die Genossen Judenhasser resümiert: »Antizionismus und Palästina-Solidarität waren offiziell die Motive, doch anhand der Sprache Kunzelmanns, der immer wieder gerne von ›Scheißjuden‹ und ›Saujuden‹ sprach, kann dies wohl nur als Camouflage eines virulent antisemitischen Weltbildes gedeutet werden ... Palästina gleich Vietnam, Faschismus gleich Zionismus, Israel gleich ›Drittes Reich‹ und Al-Fatah gleich Antifaschismus – so lauteten damals die Zauberformeln der Tupamaros West-Berlin, die aufgrund ihrer Griffigkeit und Simplizität offensichtlich eine verheerende Faszination auf Teile der deutschen Linken ausübten. Aber noch viel mehr. Sie beinhalteten darüber hinaus nämlich auch das Angebot, sich vom ›Judenknax‹, wie es Kunzelmann immer wieder nannte, dem Schuldgefühl für die von den Deutschen begangene Vernichtung des europäischen Judentums, zu befreien.« [4]
Einige deutsche Linke fanden über die Ausbildungscamps von Arafats Al-Fatah-Bewegung ihren Weg in den Terrorismus. 1976 entführt ein deutsch-palästinensisches Kommando eine Air France Maschine nach Entebbe. Wilfried Böse, Anführer der Revolutionären Zellen, unternimmt dabei an Bord die erste von einem Deutschen durchgeführte Selektion zwischen Juden und Nichtjuden seit dem Zweiten Weltkrieg.
So sehr es in den Post-68er Linken grundsätzliche Kritik an der Militanz gab, so war der antizionistische Antisemitismus selbst kaum Grund zum Dissens. Mit dem Sechs-Tage-Krieg hatte sich bei den rebellierenden Studenten längst der scheinrationale Grund gefunden, sich vehement, inbrünstig moralisch und aus vorgeblich antifaschistischen Motiven gegen den jüdischen Staat wenden zu können.
Der Politikwissenschaftler Stephan Grigat beschreibt in einem Aufsatz über das Verhältnis von Kritischer Theorie und Zionismus die Reaktionen Adornos auf diese Entwicklung: »Am 5. Juni 1967, dem, Tag des Ausbruchs des Sechs-Tage-Krieges, schrieb Adorno an seine Wiener Freundin Lotte Tobisch: ›Wie machen uns schreckliche Sorgen wegen Israel ... Man kann nur hoffen, dass die Israelis einstweilen immer noch militärisch den Arabern soweit überlegen sind, dass sie die Situation halten können.‹ ... Zwei Jahre später war Adorno vom Niederbrüllen des israelischen Botschafters in Frankfurt durch deutsche linke und arabisch-nationalistische Studenten dermaßen entsetzt, dass er in einem Brief an Herbert Marcuse gar von der Gefahr eines Umschlagens der Studentenbewegung in Faschismus sprach.« [5]
Der Sechs-Tage-Krieg wurde zum Vorwand der pro-palästinensischen Wende der deutschen Linken; die Studentenbewegung selbst ermöglichte den ersten Höhepunkt des Neuen Antisemitismus in Deutschland. Er trat mit antifaschistischem, progressivem Gestus auf und behauptete, kein Judenhass mehr zu sein. Der Jude war nun vielmehr ein Jude unter den Staaten, wie es Hannah Arendt einmal formulierte: Israel.
Germany reloaded
Die antiisraelische Stimmung in Deutschland, bei der allenfalls noch gönnerhaft das Existenzrecht Israel eingeräumt wird, um sogleich Israels Verteidigung gegen den militarisierten Judenhass von Hamas bis Hisbollah in den Kategorien »Menschenrechtsverletzungen«, »Massaker« oder auch »Vernichtungskrieg« zu beschreiben, hat sich nicht zuletzt in den letzten Jahren verfestigt, da die Generation der 1968er die kulturelle und politische Hegemonie erlangte.
Dabei wirkten die Zweite ›Intifada‹, Nine-Eleven und der War on Terror als Katalysator für das antisemitische Ressentiment, das sich immer schon im postnazistischen Deutschland mit dem antiamerikanischen amalgamierte. Paul Spiegel, damals Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, bemerkte 2002 ungewöhnlich undiplomatisch: »Anstatt gegen Antisemitismus zu mobilisieren – was hier zu Lande tatsächlich etwas Neues wäre –, wird in Sachen Feindmarkierung eher der Schulterschluss mit den Antisemiten praktiziert.«
Die jüngste deutsche Geschichte ist aber nicht nur von einer Verfestigung der antiisraelischen Stimmung gekennzeichnet. Um den als ›Israelkritik‹ daherkommenden Antisemitismus moralisch weiterhin zu legitimieren, werden erheblich Anstrengungen unternommen, sich als vom klassischen Antisemitismus, mithin vom Nationalsozialismus geläutert darzustellen. Beton gewordener Ausdruck dieser Bemühung ist die Errichtung des 2005 eröffneten Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas: auf einer Fläche von 19.000 Quadratmetern sind 2.711 Betonquader in parallelen Reihen aufgestellt. Der damalige Bundeskanzler Schröder wünschte sich seinen »Ort, an den man gerne geht«, und gab so seiner Unbekümmertheit ob der deutschen Vergangenheit Ausdruck. Schröder durchbrach für einen Moment die liturgisch gewordenen Bekenntnis- und Verantwortungsrhetoriken deutscher Erinnerungspolitik und hat in seiner Fehlleistung Ehrlichkeit walten lassen.
Ferner müht man sich in Deutschland beinahe zwanghaft um ein unverkrampftes Verhältnis zur eigenen Nation. Ausdruck dieser Bemühungen um die bruch- und damit notwendig geschichtslose nationale Identifikation war die Kampagne im Jahre 2005 mit dem Titel »Du bist Deutschland«. Dutzende deutsche Unternehmen unter Federführung des Medienkonzerns Bertelsmann meinten: »Die Deutschen plagt eine kollektive Depression. Damit soll Schluss sein.« und plakatierten und sendeten für dreißig Millionen Euro nationale Wohlfühlpropaganda.
Und schließlich sind mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Nationalsozialismus auch die Bemühungen weitestgehend erfolgreich gewesen, die Shoa zu historisieren und sich damit auch von individueller und politischer Verantwortlichkeit – nicht nur für Vergangenes, sondern auch für Heutiges – zu dispensieren. Wohl kommt man an den Fakten der Vergangenheit lang nicht mehr vorbei; doch was sich schon im Gruppenexperiment abzeichnete, wirkt heute, zwei bis drei Generationen später, noch immer fort. Der Sozialpsychologe Harald Welzer veröffentlichte 2002 eine Studie über Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis unter dem bezeichnenden Titel: »Opa war kein Nazi« [6]. Er unterstreicht den Unterschied zwischen kognitivem Geschichtswissen, wie es beispielsweise in den Schulen vermittelt wird, dass vor allem ein Faktenwissen ist, und emotionalen Vorstellungen über die Vergangenheit, die sich intergenerationell tradieren, und die eher als das kognitive Wissen dazu angetan sind, selbstreflexive Fragen individueller Moral und politischer Einstellungen zu motivieren. Welzer stellt fest: »Paradoxerweise scheint es gerade die gelungene Aufklärung über die Verbrechen der Vergangenheit zu sein, die bei Kindern und Enkeln das Bedürfnis erzeugen, die Eltern und Großeltern im nationalsozialistischen Universum des Grauens so zu platzieren, dass von diesem Grauen kein Schatten auf sie fällt.«
Es soll also dem Bedürfnis entsprochen werden, die Verbrechen der Nazis und die moralische Integrität innerhalb des eigenen Kollektivs, wenigstens innerhalb der eigenen Familie, zu vereinbaren. Indem die gesamte Verantwortlichkeit für Krieg und Shoa einer kleinen Clique um Hitler zugewiesen wird, wird es einfach, seine Eltern und Großeltern von der Täterschaft freizusprechen, und gar zu Opfern zu stilisieren: Opfer von Krieg, Vergewaltigung, Gefangenschaft, Mangel und Not. Wer so sehr Opfer ist, kann kein Täter gewesen sein. In diesen Narrativen verschwinden die eigentlichen Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen; sie tauchen allenfalls dann auf, wenn die Alten als deren Beschützer oder gar Retter inszeniert werden. Harald Welzer resümiert, dass Opferkonstruktionen und Umkehrungen der historischen Täter- und Opferrollen im so genannten Familiengespräch eine dominante Rolle spielen, wobei die historische Wahrheit zumeist anders aussieht.
In den Erzählungen von deutschem Leiden tauchen zunehmend Bilder auf, die aus dem Kontext der Shoa stammen: Lager, Leichenhaufen, verhungernde Gefangene, Stacheldraht... Diese höchst emotionsgeladenen Bilder aber werden von ihrem Entstehungszusammenhang sukzessive abgelöst, stehen als ›Ikonen der Vernichtung‹ als Synonym für ein unspezifisches, unsägliches Grauen. Sie werden in den Viktimisierungsgeschichten der Deutschen neu kontextualisiert; mit ihnen werden auch die durch sie evozierten Emotionen umgelenkt. Die Leiden der Juden in der Shoa, ja die jüdischen Opfer selbst, werden so derealisiert.
Die Historisierung der Shoa, die Neubewertung von Geschichte im Gefolge der Täter-Opfer-Verkehrung, die De- und Re-Kontextualisierung der Bilder der Shoa: dies alles wird befördert von öffentlichen und medial inszenierten Debatten, in denen bspw. die ›Flucht und Vertreibung der Deutschen‹ oder der ›Bombenterror gegen die Deutschen‹ in den Mittelpunkt gestellt werden. Doch bleibt immer noch ein Rest lastenden Gewissens im Gefolge der Befreiung von Verantwortung aus Geschichte. Eben deshalb wird auf Israel abgezielt, werden bspw. die ›Flucht und Vertreibung der Palästinenser‹ oder der ›Bombenterror gegen die Palästinenser‹ behauptet. Es offenbart sich das wahnhaft-projektive Moment, die Nazi-Vergangenheit dem heutigen Israel anzudichten um in Form der Zionisten mit den Juden abzurechnen.
Die Grenzen der Aufklärung
Im Jahre 1946 erschien in den Vereinigten Staaten ein Sammelband [7], der erst mit 47 Jahren Verspätung auch in Deutschland einen Verleger fand [8]; dabei waren doch die Autoren fast ausnahmslos einst emigrierte deutsche Juden, und das Thema war ein deutsches: »Anti-Semitism. A Social Desease«. Dieses Buch ist ein historisches Dokument, da kritische Theoretiker hier den klassischen, den rassistischen Antisemitismus ins Visier nehmen. Das Buch ist aber zugleich eine aktuelle Anregung, den psychoanalytischen Ansätzen nachzugehen, die auch den neuen, den antizionistischen Antisemitismus zu erhellen vermögen, um nicht gänzlich ohnmächtig vor dem sich Abzeichnenden verharren zu müssen.
Denn hier schärft Ernst Simmel, ein Schüler Freuds, das Bewusstsein dafür, dass der Antisemitismus »die Manifestation eines pathologischen seelischen Prozesses« ist. Heute noch stellt sich die Frage: Welche irrationalen und emotionalen Bedürfnisse haben die Einzelnen, wie werden diese familiär, kollektiv und gesellschaftlich produziert und reproduziert? Dass zumal aus deutscher Geschichte – individuell und kollektiv – sich viel Psychotisches ergibt, liegt auf der Hand. Simmel erinnert: »Die psychoanalytische Erforschung der Charakterbildung hat uns gelehrt, dass irrationale Ideen in Verein mit irrationalen Handlungsimpulsen dem Bedürfnis des Individuums dienen, eine pathologische Störung zu überwinden, und sein seelisches Gleichgewicht wieder zu finden.«
Max Horkheimer warnt: »Ein bloßer Appell an den bewussten Geist genügt nicht, weil Antisemitismus und antisemitische Propaganda dem Unbewussten entspringen.« Heute nun wissen wir: Re-Education und Holocaust-Education haben zwar ein umfassendes kognitives Geschichtswissen produziert, und dennoch ist der Wahn längst nicht gebrochen. Die Möglichkeiten der Aufklärung, das Insistieren auf Vernunft, das Erinnern an Vergangenes – dies alles scheint erschöpft. Und es ist ebenso hilflos, gegen den antizionistischen Antisemitismus vor allem mit Fakten argumentieren zu wollen. Denn der antisemitische Wahn schert sich nicht um Fakten.
Zu verstehen ist vielmehr, dass die Deutschen sich heute in der zweiten und dritten Generation nach den Tätern immer noch in einer höchst problematischen Lage befinden: Ein kritischer, selbstreflexiver Prozess der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hat nie stattgefunden, vielmehr hat man Strategien versucht, zu verdrängen und zu verleugnen, zu ritualisieren und zu historisieren, sich selbst stets aus der konkreten Verantwortung zu nehmen. Der erfolgreichen Tabuierung des Nationalsozialismus steht das ganz Unaufgearbeitete gegenüber: Dies aber hat die Transformation des delegitimierten rassistischen in einen opportunen antizionistischen Antisemitismus in Gang gesetzt.
Und Otto Fenichel betont in seinem Aufsatz über die Elemente einer psychoanalytischen Theorie des Antisemitismus, dass Menschen stets bereit sind, »Hinweise und Vermutungen für wahr zu halten, die ihnen irgendeinen Vorteil bringen.« Die pazifistische Läuterung der Deutschen – »Nie wieder Krieg!« – und der antifaschistische Gestus – »Nie wieder Faschismus!« – kulminieren heute im unausgesprochenen aber politisch vollzogenen Dogma »Nie wieder Krieg gegen Faschismus!« Aus der antiisraelischen Propaganda ist dabei sehr wohl ein Vorteil zu ziehen: das pazifistische, das antifaschistische und das antisemitische Bedürfnis werden zugleich befriedigt. Das Schreiten zur Tat wird den brothers in crime, den bewaffneten islamistischen Rackets überlassen; das eigene Gewissen bleibt abermals unbeschwert.
Aus diesen Überlegungen ist wohl kaum ein positiv bestimmtes politisches Programm ableitbar. Doch auch wenn die Aufklärung des Antisemiten selbst seine Grenzen hat, so wäre eine kritische Aufklärung über den Antisemitismus ein notwendiger Wissensfortschritt. Die Anstrengung des Begriffs darf nicht bei den Phänomenen selbst enden; jede Intervention geht nämlich fehl, wenn sie nicht sowohl auf den Antisemitismus als kulturell und gesellschaftlich tradiertes Problem in seinen Kontinuitäten und Transformationen reflektiert, als auch die sich darin manifestierende kollektive Psychose zu ergründen versucht.
Eine solche Aufklärung wäre auch ein notwendiger Naivitätsverlust. Wie eingangs schon erwähnt: 77% der Deutschen glauben, Israel habe einen negativen Einfluss auf die Welt. Deutschland – mehr als 60 Jahre nach Kriegsende, ist weit davon entfernt, die eigene Vergangenheit kritisch reflektiert und den Antisemitismus in allen, erst recht den modifizierten Formen abgelegt zu haben. Zwar glauben die Deutschen tatsächlich, keine Antisemiten, sondern ›Israelkritiker‹ zu sein. Doch die Realität ist eine andere: Im Neuen Antisemitismus findet Deutschland zu alter Form.
[1] BBC World Service Poll: Israel and Iran share the most negative ratings in global poll.
[2] Max Horkheimer: Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung. Notizen in Deutschland. Frankfurt am Main.: S. Fischer Verlag, 1974
[3] Theodor W. Adorno: Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? in: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften Band 10.2, Kulturkritik und Gesellschaft II, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1977
[4] Ralf Balke: Genosse Judenhasser
[5] Stephan Grigat: Befreite Gesellschaft und Israel. Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Zionismus. in: Stephan Grigat (Hg.): Feindaufklärung und Reeducation. Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus. Freiburg: ça-ira-Verlag 2006
[6] Harald Welzer, Sabine Moller, Karoline Tschugnall: »Opa war kein Nazis«. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis. Frankfurt am Main: Fischer, 2002
[7] Ernst Simmel (ed.): Anti-Semitism. A Social Desease. New York/Boston: International Universities Press, 1946
[8] Ernst Simmel (Hg.): Antisemitismus. Frankfurt: Fischer, 1993
Dienstag, 27. März 2007
Erosionen
Als hätte man nur auf einen Anlass gewartet: Jetzt, da nicht mehr nur eine, sondern gleich zwei Terrororganisationen die palästinensischen Gebiete regieren, erodieren die letzten Grundsätze einer europäischen Nahostpolitik, der Israel aus falscher Hoffnung vertraute. Selbst das Existenzrecht des jüdischen Staates scheint inzwischen verhandelbar. Und weil Kritik daran nicht goutiert wird, mühen sich auch noch die letzten Parvenüs, eine solche zu denunzieren.
Die Europäische Union, die sich dieser Tage in Berlin ausgiebig gefeiert hat, würde ob der Bildung der neuen palästinensischen Einheitsregierung wohl am liebsten noch ein paar Fläschchen Rotkäppchensekt köpfen. Allein, die neuen ›Partner‹ aus Gaza und Ramallah sind dem Alkohol zumeist nicht gar so zugeneigt. Doch gäbe es Grund genug für sie zur Festivität: Der Nahost-Gesandte der EU, Marc Otte, machte dem neuen palästinensischen Außenminister Siad Abu Amr im Westjordanland bereits seine Aufwartung; die deutsche Bundeskanzlerin und amtierende EU-Ratsvorsitzende Angela Merkel telefonierte mit Palästinenser-Präsident Abbas, um neue ›Chancen‹ bezüglich der ›Regierung der nationalen Einheit‹ zu sondieren; Paris, Wien und Berlin haben bereits Einladungen an einzelne Regierungsmitglieder der Palästinenser ausgesprochen, und Großbritannien führt seit je offizielle Gespräche mit der Fatah und inoffizielle mit der Hamas.
Norwegen spielt, obwohl nicht EU-Mitglied, den gesamteuropäischen Vorreiter und kündigt ein vollständiges Ende seines politischen und wirtschaftlichen Boykotts an. Der Staatssekretär im Außenministerium, Raymond Johansen, traf bereits in Gaza mit dem palästinensischen Regierungschef Ismail Haniyeh von der Hamas zusammen. Auch die EU selbst sieht neben Kontakten »zu gemäßigten Ministern« die Möglichkeit, dass Gelder wieder direkt an die Palästinenser fließen. »Sie haben große Anstrengungen unternommen«, zitierte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe einen Spitzendiplomaten im Auswärtigen Amt: »Es wäre fatal, wenn wir Europäer jetzt ›April, April‹ sagen würden.« Diese »großen Anstrengungen« der Palästinenser beziehen sich aber mitnichten auf eine Deeskalation gegenüber Israel. Die verfeindeten Terrorbanden haben einfach nur aufgehört, sich gegenseitig abzuknallen. Die Einheitsregierung, die de facto die Einheit der Palästinenser gegen Israel beschwört, soll nun eben dafür belohnt werden. Der palästinensische Finanzminister Salam Fajjad fängt EU-Angaben zufolge bereits an, mit der Europäischen Union über die ›Wiederaufnahme‹ finanzieller Hilfen zu verhandeln. Diese Behauptung, es würde sich tatsächlich um eine ›Wiederaufnahme‹ handeln, ist jedoch völlig widersinnig, denn trotz eines angeblichen Boykotts hat die EU ihre Hilfen an die Palästinenser allein im vergangenen Jahr von zuvor 500 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro gesteigert. Es wird also allenfalls über eine abermalige Steigerung der Zuwendungen sowie über die unmittelbare Einzahlung auf die Konten der palästinensischen Regierung zu reden sein.
Die auflagenstärkste israelische Tageszeitung Yediot Ahronot gibt sich aus guten Gründen resigniert: »Die diplomatischen Bemühungen Israels sind gescheitert ... der Boykott der Palästinenser ist zu Ende.«
Auch die Amerikaner geben ihre ganz harte Linie auf: Sie wollen zwar die Sanktionen noch aufrecht erhalten, entgegen der Position Israels aber doch Kontakte zu einzelnen Kabinettsmitgliedern, die nicht der Hamas angehören, erlauben. Wenigstens beharren die USA weiter auf den Bedingungen des Nahostquartetts; Sicherheitsberater Stephen Hadley bekräftigte gegenüber CNN, dass Verhandlungen mit der neuen palästinensischen Regierung von Hamas-Ministerpräsident Haniyeh immer noch ausgeschlossen seinen. Es gelten weiter die Vorbedingungen: Anerkennung Israels, Verzicht auf Terrorismus und Gewalt, Einhaltung bereits geschlossener Vereinbarungen.
Das allerdings wird in Deutschland in Regierung und Opposition kritisiert. Heidemarie-Wieczorek-Zeul (SPD) hat bereits im Vorfeld ihres geplanten Treffens mit dem neuen palästinensischen Finanzminister in Berlin festgestellt, dass die alten Leitlinien des Nahostquartetts für die Deutschen nicht mehr gelten, denn »das dürfen keine Vorbedingungen für uns sein, überhaupt in Gespräche einzutreten. Es sind Forderungen und Ziele, die gerade mit dem Dialog erreicht werden sollen.« [1] Noch deutlicher wird die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Müller, die sich dagegen wendet, dass »das Quartett immer nur die alten Positionen bekräftigt«. Und sie folgert: »Es setzt sich hier immer wieder ja die amerikanische Position durch, die dabei bleibt: Israel anerkennen, Gewaltverzicht, internationale Verträge respektieren. Ich glaube, dass das strikte Bestehen auf die Quartettbedingungen inzwischen kontraproduktiv für eine Bewegung im Friedensprozess ist.« Müller fordert vom Quartett, »eher Druck auf Israel ausüben«. [2]
In einer Anfrage an ihr Büro, ob sie denn angesichts ihrer Ablehnung der bisherigen Vorbedingungen des Quartetts eine bessere Lösung kenne, »die Israels Sicherheit garantiert und im Gazastreifen sowie in der West Bank demokratische Verhältnisse herstellt«, antwortet ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Arne Behrensen:
»Die von Ihnen angeführte Stelle aus Frau Müllers D-Radio-Interview bezieht sich auf das ›strikte‹ Bestehen auf den Quartettbedingungen als Vorraussetzung für eine internationale Zusammenarbeit mit der neuen palästinensischen Regierung. Seien Sie sicher, dass Frau Müller an einer schnellstmöglichen Erfüllung der Quartettbedingungen sehr wohl gelegen ist. Doch realistisch gesehen kann dies nur in einem Verhandlungsprozess, also im politischen Dialog geschehen. Die neue palästinensische Regierung muss deswegen als Dialogpartner anerkannt werden und vor allem an ihren Taten (Durchsetzung und Einhaltung eines effektiven Waffenstillstands und Freilassung von Shalit im Rahmen eines Gefangenenaustausch) gemessen werden, auch wenn die Akzeptanz von Hamas-Ministern für niemanden eine schöne Vorstellung ist. Als Alternative droht jedoch ein erneuter Rückfall in den innerpalästinensischen Bürgerkrieg und eine weitere Steigerung des iranischen Einfluss. Das kann erst recht nicht in Israels Interesse sein.«
Dieser wissenschaftliche Mitarbeiter fordert also, ganz seiner Dienstherrin folgend, die Anerkennung der neuen palästinensischen Regierung, die Akzeptanz von Hamas-Ministern sowie den Verzicht auf die bislang gültigen Vorbedingungen für Verhandlungen. Er hält insbesondere die Anerkennung des Existenzrechts Israels für disponibel. Und, wie all diese deutschen ›Nahost-Experten‹, glaubt er recht genau zu wissen, was in Israels Interesse sei und was nicht.
Interessant an Behrensen ist nicht nur, dass er das Lied seiner Herrin singt – was einem so aufstrebenden Jungakademiker in der deutschen Politiklandschaft wohl zugestanden werden muss –, sondern dass er sich auch außerhalb der Bundestags-Büroräume politisch entsprechend betätigt. Das aber steht nicht im Dienstvertrag. Will man Israel am effektivsten in die Parade fahren, so tut man dies, so viel hat der junge Behrensen bereits gelernt, auch ›zivilgesellschaftlich‹ als vorgeblicher ›Freund Israels‹. Die Karriere des Politikwissenschaftlers führte folgerichtig als Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen über das Berliner Büro des American Jewish Committee schließlich in den Bundestag; er war zuvor als Autor der Jungle World ebenso tätig wie als Aktivist des Berliner Bündnisses gegen Antisemitismus und Antizionismus, später nur noch des Bündnisses gegen Antisemitismus, so als wäre der Antizionismus nicht mehr der ausdrücklichen Erwähnung wert.
Behrensen betätigte sich 2002 als Mitorganisator einer Kundgebung vor der SPD-Zentrale in Berlin, da Kanzler Schröder ausgerechnet am 8. Mai mit Martin Walser über Nation und Patriotismus öffentlich zu räsonieren gedachte. Doch der Protest sollte für den Veranstalter keineswegs karriereschädlich wirken; Behrensen sprach im Vorfeld bei der Parteizentrale vor, damit sein Engagement ja nicht falsch verstanden würde. Selbst die kleinste Rebellion gerät so gänzlich konformistisch.
Ferner ist Arne Behrensen Mitorganisator der jährlichen Berliner Kleinstdemonstration gegen den internationalen Al Quds-Tag, und er schafft es hier, die üblichen B-Promis von Lea Rosh über Claudia Roth bis hin zu Eberhard Seidel vom »Kinder-Stürmer« taz (Henryk M. Broder) zusammenzubringen, um kund zu tun, man habe zwar »unterschiedliche Meinungen zu dem andauernden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern«, trete aber gemeinsam »für eine friedliche und für beide Seiten akzeptable Zweistaatenlösung ein«, um gerade in diesem Zusammenhang ausdrücklich »jede Diskriminierung von Menschen muslimischen Glaubens oder migrantischen Hintergrunds« abzulehnen. Das iranische Regime instrumentalisiere »schamlos den israelisch-palästinensischen Konflikt zu Lasten auch der Palästinenserinnen und Palästinenser«, während bei den sich so Kundgebenden von Israel nur als nationaler Entität, nicht aber im Sinne sehr konkret bedrohter Menschen die Rede ist. [3]
Derlei simulierter Betriebsamkeit, mittels welcher ein breites Bündnis gesucht wird, geht es mitnichten darum, Israel ernsthaft zu unterstützen. Es wird auf den großen gesellschaftlichen Konsens abgezielt, statt genau diesen auf Grundlage der allbekannten empirischen Fakten zu kritisieren. Eben darum auch wird jede Deutlichkeit der politischen Aussage solange gedämpft, bis das gesamte Milieu der ›Israelkritiker‹ für eine zur hohlen Geste verkommene Veranstaltung eingemeindet werden kann. Eine solche Veranstaltung erfüllt ihren Zweck dann genau darin, zur Dienstleistung am teilnehmenden ›Israelkritiker‹ zu werden. Mit dem guten Gefühl, sich als ›Freund Israels‹ nun hinlänglich ausgewiesen zu haben, lässt sich fürderhin moralisch legitimiert gegen jene zu Felde ziehen, die nicht aus taktischen Erwägungen, sondern aus grundsätzlicher Parteinahme gegen den Neuen Antisemitismus und den darin enthaltenen eliminatorischen Antizionismus auftreten.
Nur ein Beispiel: Unterstützte Eberhard Seidel von der taz im Oktober 2006 die letzte Demonstration gegen den Al Quds-Tag, so tat er dies im besten Glauben, sich in keinem Widerspruch zu seinem im gleichen Monat erschienenen Artikel über »Gesundes Volksempfinden« zu befinden: Dort schloss er »Feuilleton, Bürger und Rechtsextreme« kurz, die sich im gemeinsamen »Widerstand gegen die islamische Landnahme in Deutschland« befänden, wobei er »den Welt-Autor und niederländischen Schriftsteller Leon de Winter« als »Rassisten« denunzierte und Henryk M. Broder, der »heute noch mangelnden Widerstand gegenüber Islam und Islamismus beklagt«, unterstellte, er habe »schlicht die Entwicklungen der letzten Jahre verschlafen«, denn genau seine »Stichworte werden längst von rechtsgerichteten Organisationen« wie beispielsweise der NPD aufgegriffen. Seidel resümierte: »Ein ganzes Volk ist vereint im antiislamischen Widerstand.« [4] Ein halbes Jahr später widerspricht er abermals der These vom »islamischen Antisemitismus«; dieser Judenhass speise sich eben »nicht aus religiösen Quellen, sondern ist ein modernes Phänomen«. So sind nicht die Mullahs, so ist wieder einmal nur die Moderne an allem schuld. Seidel hat von Dialektik nicht die geringste Ahnung und ist auch sonst ein anständiger Linker: antimodern bis ins Kreuzberger Mark. Also spricht er sich grundsätzlich gegen das »Konstrukt vom ›islamischen‹ oder ›muslimischen Antisemitismus‹« aus; er differenziert, denn »nicht jede Kritik eines palästinensischen Jugendlichen oder eines Imams an der Besatzungspolitik Israels ist per se antisemitisch«. Und er glaubt zu wissen: »Zumeist erging es der jüdischen Bevölkerung unter muslimischer Herrschaft ... besser als im christlichen Abendland.« Deshalb empfiehlt er auch: »Mit dem Imam gegen Judenhass.« [5] Und das schreibt er ohne jede Ironie. Bitter ernst ist es ihm auch mit dem Anliegen, die eh schon allzu bescheidene ernsthafte Unterstützung Israels bestmöglich zu sabotieren. Seidel versucht dies beispielsweise auch dadurch, dass er Publizisten wie de Winter und Broder denunziert und in die Nähe des Rassismus und Rechtsextremismus rückt.
Am Beispiel Eberhard Seidels wird deutlich: Wer mit solchen den Konsens und das Bündnis für Israel sucht, nimmt die Verharmlosung des eliminatorischen Antizionismus und der evidentesten Gefahr für Israel, also des real existierenden Islamismus, willentlich in Kauf. Eben diese Verharmlosung aber ist de facto eine Politik gegen Israel. Solche vorgeblichen Bündnisse für Israel dienen, und das ist ihr eigentlicher politischer impact, der moralischen Absicherung eben jener Teilnehmer, deren ›Israelsolidarität‹ sich gemeinhin in ›Israelkritik‹ erschöpft. Und dafür können die eingeladenen Bündnispartner den Veranstaltern durchaus dankbar sein.
Arne Behrensen, der bereits erwähnte junge Mann im Vorzimmer Kerstin Müllers, will nicht nur Bündnisse organisieren oder Briefe im Auftrag seiner Chefin beantworten, sondern fühlt sich zum Behufe seiner ›Israelunterstützung‹ gar zu einem programmatischen Aufsatz bemüßigt, den jüngst das Onlinemagazin Hagalil abzudrucken bereit war [6]. In diesem Elaborat wendet er sich gegen jede »alarmistische Rhetorik« in Bezug auf die antisemitischen Vernichtungsfantasien des Iran, so, als wäre es im Angesicht der atomaren Bedrohung erste deutsche Bürgerpflicht, nur die Ruhe zu bewahren. Diese Friedhofsruhe empfiehlt Behrensen zuvörderst den Bedrohen selbst; sie werde aber durch jene proisraelischen Gruppen gestört, die mit dem »unseriösen Auftreten ihrer exzentrischen Vertreter ... vorwiegend christlich-fundamentalistische und antideutsch-linksradikale Bündnispartner« anzögen und damit einem »breiten gesellschaftlichen Bündnis im Wege« stünden. So spricht der Spießer, der selbst einst im »antideutsch-linksradikalen« Milieu sich profilierte und nun vor allem Seriosität anmahnt. Darin manifestiert sich aber vor allem die Entsolidarisierung von jenen jüdischen Organisationen, deren proisraelische Haltung grundsätzlich außer Frage steht. Behrensen müht sich redlich, eben diese Organisationen zur Distanzierung von ihren letzten verbliebenen Partnern zu zwingen und sie damit noch einsamer dastehen zu lassen. Und weil derlei Denunziation nicht erst seit Behrensens Traktat marodiert, so wird sich tatsächlich, wie eingefordert, sicherheitshalber distanziert; wohl aber nur so lange, bis man begreift, selbst das eigentliche Ziel der Denunziation zu sein. [7] Außerdem ist Behrensens Nötigung ganz unnötig und zeugt von wirrer Projektion; wesentliche Kerntruppen der Antideutschen haben sich nämlich aus ihren eigenen falschen Gründen schon längst aus der praktischen Kooperation mit dem, wie sie es nennen, »organisierten Judentum« [8] zurückgezogen.
Behrensen erschöpft seine Kräfte nun darin, vor einem Militärschlag gegen den Iran zu warnen: »Die Aussichten, das iranische Atomprogramm auf diese Weise effektiv stoppen zu können, sind mehr als zweifelhaft, der Bau der Bombe könnte sogar unausweichlicher werden.« Die Versuche also, die Bombe zu verhindern, würden die Bombe des Iran erst »unausweichlich« machen. Darüber hinaus gilt ihm bereits jede »Forderung nach einem Militärschlag und demonstrative Planung« als »gefundenes Fressen für den innenpolitisch durch verlorene Kommunal- und Expertenratswahlen sowie Wirtschaftsprobleme geschwächten Ahmadinedjad.« Bloß den Bären nicht reizen!, so lautet allenthalben die Warnung des ängstlichen Tierpflegers im Zoologischen Garten.
Beim Insistieren auf Verhandlungen geht es Behrensen nach Eigenauskunft letztlich auch darum, Israel vor seinem eigenen Handeln, nämlich den »gefährlichen Optionen« eines Militäreinsatzes, zu bewahren. So viel Fürsorge hat Kerstin Müllers Adjutant allemal zu bieten. Seine Handlungsoptionen: »Differenzen bei der Beurteilung des israelisch-palästinensischen Konflikts zurückzustellen und gemeinsam eine für beide Seiten akzeptable Zweistaatenlösung zu vertreten«, denn »alles andere bedient die Propaganda des iranischen Regimes«. Entkommt man dieser »Propagandafalle«, dann wird es auch etwas mit dem breiten gesellschaftlichen Bündnis. Doch wofür steht dieses dann? Ganz sicher nicht für »explizit pro-israelische Kampagnen«; eine »ausschließliche Konzentration auf die Atomfrage und die Bedrohung Israels ist kontraproduktiv«, denn »die überwiegende Mehrheit der Iraner ist keineswegs pro-israelisch, sondern eher pro-palästinensisch eingestellt«. Wollen die Feinde Israels den jüdischen Staat von Landkarte streichen, so wollen selbsterklärte ›Freunde‹ Israels den jüdischen Staat wenigstens schon einmal von der Agenda streichen. Aus rein taktischen Gründen, versteht sich.
Behrensen überlässt die wirklich große Politik zwar noch seiner Dienstherrin; der Parvenü geduldet sich einstweilen am unteren Ende der Karriereleiter. Aber er tut schon, was er kann, um proisraelische Kampagnen zu okkupieren, und dort, wo dies nicht gelingt, zu behindern. Unsinn zu schreiben allein reicht da nicht aus. Behrensens persönlicher Einsatz mag manchmal kurios wirken; lustig ist es aber nicht, was sich da im Vorfeld der Anti-Ahmadinedjad-Demonstration Anfang des Jahres in Berlin tat, als Behrensen eifrig Unterstützer dieser Demo, insbesondere jene aus dem linken und aus dem iranischen Umfeld, ebenso einfältig wie eindringlich agitierte, diese Unterstützung ja wieder einzustellen.
Andrea Livnat, Mitherausgeberin des Onlinemagazins Hagalil, wundert sich nun über vereinzelte negative Reaktionen auf Arne Behrensens Text, hatte die Gute doch nur gehofft, »eine Diskussion über das ›Wie‹ der Israelsolidarität« anstoßen zu können [9]. Sie fragt sich, Partei für Behrensen ergreifend: »Ist jede Kritik gleich so zu interpretieren, dass man am Existenzrecht Israels zweifelt?« Und damit klingt sie wie jeder ordinäre ›Israelkritiker‹, der immer schon die ›Antisemitismuskeule‹ fürchtet und deshalb diese dümmliche Frage bei jeder Gelegenheit wiederholt. Andrea Livnat ist ganz zerknirscht: »Bei solcher Dämonisierung, wie können wir hier die Basis zur Gemeinsamkeit finden?«
Die Antwort ist simpel: gar nicht.
Denn es gibt jene, die selbst aus taktischen Erwägungen nicht von Israel schweigen wollen, die aus Sorge um den jüdischen Staat, nein, aus Sorge um das Leben seine Bürger, nicht jede militärische Option grundsätzlich ausschließen, die eine Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel nicht zur Disposition stellen, die eine palästinensische Regierung zweier Terrororganisationen nicht für akzeptabel halten, und die nicht den Alarm zurückhalten, wenn ein zweiter Holocaust angekündigt wird. Es sind eben jene, die all diese Punkte als unhintergehbare Basisbanalitäten der Unterstützung Israels betrachten.
Konsensfähig ist das alles nicht. Wer das versteht, hat schon viel über Deutschland verstanden.
[1] http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/objekt.php3?artikel_id=2756995
[2] http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/597379/
[3] http://www.gegen-al-quds-tag.de/aufruf.html
[4] http://www.taz.de/pt/2006/10/07/a0142.1/text
[5] http://www.taz.de/pt/2007/03/15/a0128.1/text
[6] http://www.hagalil.com/archiv/2007/03/atombombe.htm
[7] http://www.hagalil.com/archiv/2007/03/stawski.htm
[8] http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/AntwortGrossdemonstration.htm
[9] http://www.hagalil.com/archiv/2007/03/israelsolidaritaet.htm
Die Europäische Union, die sich dieser Tage in Berlin ausgiebig gefeiert hat, würde ob der Bildung der neuen palästinensischen Einheitsregierung wohl am liebsten noch ein paar Fläschchen Rotkäppchensekt köpfen. Allein, die neuen ›Partner‹ aus Gaza und Ramallah sind dem Alkohol zumeist nicht gar so zugeneigt. Doch gäbe es Grund genug für sie zur Festivität: Der Nahost-Gesandte der EU, Marc Otte, machte dem neuen palästinensischen Außenminister Siad Abu Amr im Westjordanland bereits seine Aufwartung; die deutsche Bundeskanzlerin und amtierende EU-Ratsvorsitzende Angela Merkel telefonierte mit Palästinenser-Präsident Abbas, um neue ›Chancen‹ bezüglich der ›Regierung der nationalen Einheit‹ zu sondieren; Paris, Wien und Berlin haben bereits Einladungen an einzelne Regierungsmitglieder der Palästinenser ausgesprochen, und Großbritannien führt seit je offizielle Gespräche mit der Fatah und inoffizielle mit der Hamas.
Norwegen spielt, obwohl nicht EU-Mitglied, den gesamteuropäischen Vorreiter und kündigt ein vollständiges Ende seines politischen und wirtschaftlichen Boykotts an. Der Staatssekretär im Außenministerium, Raymond Johansen, traf bereits in Gaza mit dem palästinensischen Regierungschef Ismail Haniyeh von der Hamas zusammen. Auch die EU selbst sieht neben Kontakten »zu gemäßigten Ministern« die Möglichkeit, dass Gelder wieder direkt an die Palästinenser fließen. »Sie haben große Anstrengungen unternommen«, zitierte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe einen Spitzendiplomaten im Auswärtigen Amt: »Es wäre fatal, wenn wir Europäer jetzt ›April, April‹ sagen würden.« Diese »großen Anstrengungen« der Palästinenser beziehen sich aber mitnichten auf eine Deeskalation gegenüber Israel. Die verfeindeten Terrorbanden haben einfach nur aufgehört, sich gegenseitig abzuknallen. Die Einheitsregierung, die de facto die Einheit der Palästinenser gegen Israel beschwört, soll nun eben dafür belohnt werden. Der palästinensische Finanzminister Salam Fajjad fängt EU-Angaben zufolge bereits an, mit der Europäischen Union über die ›Wiederaufnahme‹ finanzieller Hilfen zu verhandeln. Diese Behauptung, es würde sich tatsächlich um eine ›Wiederaufnahme‹ handeln, ist jedoch völlig widersinnig, denn trotz eines angeblichen Boykotts hat die EU ihre Hilfen an die Palästinenser allein im vergangenen Jahr von zuvor 500 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro gesteigert. Es wird also allenfalls über eine abermalige Steigerung der Zuwendungen sowie über die unmittelbare Einzahlung auf die Konten der palästinensischen Regierung zu reden sein.
Die auflagenstärkste israelische Tageszeitung Yediot Ahronot gibt sich aus guten Gründen resigniert: »Die diplomatischen Bemühungen Israels sind gescheitert ... der Boykott der Palästinenser ist zu Ende.«
Auch die Amerikaner geben ihre ganz harte Linie auf: Sie wollen zwar die Sanktionen noch aufrecht erhalten, entgegen der Position Israels aber doch Kontakte zu einzelnen Kabinettsmitgliedern, die nicht der Hamas angehören, erlauben. Wenigstens beharren die USA weiter auf den Bedingungen des Nahostquartetts; Sicherheitsberater Stephen Hadley bekräftigte gegenüber CNN, dass Verhandlungen mit der neuen palästinensischen Regierung von Hamas-Ministerpräsident Haniyeh immer noch ausgeschlossen seinen. Es gelten weiter die Vorbedingungen: Anerkennung Israels, Verzicht auf Terrorismus und Gewalt, Einhaltung bereits geschlossener Vereinbarungen.
Das allerdings wird in Deutschland in Regierung und Opposition kritisiert. Heidemarie-Wieczorek-Zeul (SPD) hat bereits im Vorfeld ihres geplanten Treffens mit dem neuen palästinensischen Finanzminister in Berlin festgestellt, dass die alten Leitlinien des Nahostquartetts für die Deutschen nicht mehr gelten, denn »das dürfen keine Vorbedingungen für uns sein, überhaupt in Gespräche einzutreten. Es sind Forderungen und Ziele, die gerade mit dem Dialog erreicht werden sollen.« [1] Noch deutlicher wird die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Müller, die sich dagegen wendet, dass »das Quartett immer nur die alten Positionen bekräftigt«. Und sie folgert: »Es setzt sich hier immer wieder ja die amerikanische Position durch, die dabei bleibt: Israel anerkennen, Gewaltverzicht, internationale Verträge respektieren. Ich glaube, dass das strikte Bestehen auf die Quartettbedingungen inzwischen kontraproduktiv für eine Bewegung im Friedensprozess ist.« Müller fordert vom Quartett, »eher Druck auf Israel ausüben«. [2]
In einer Anfrage an ihr Büro, ob sie denn angesichts ihrer Ablehnung der bisherigen Vorbedingungen des Quartetts eine bessere Lösung kenne, »die Israels Sicherheit garantiert und im Gazastreifen sowie in der West Bank demokratische Verhältnisse herstellt«, antwortet ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Arne Behrensen:
»Die von Ihnen angeführte Stelle aus Frau Müllers D-Radio-Interview bezieht sich auf das ›strikte‹ Bestehen auf den Quartettbedingungen als Vorraussetzung für eine internationale Zusammenarbeit mit der neuen palästinensischen Regierung. Seien Sie sicher, dass Frau Müller an einer schnellstmöglichen Erfüllung der Quartettbedingungen sehr wohl gelegen ist. Doch realistisch gesehen kann dies nur in einem Verhandlungsprozess, also im politischen Dialog geschehen. Die neue palästinensische Regierung muss deswegen als Dialogpartner anerkannt werden und vor allem an ihren Taten (Durchsetzung und Einhaltung eines effektiven Waffenstillstands und Freilassung von Shalit im Rahmen eines Gefangenenaustausch) gemessen werden, auch wenn die Akzeptanz von Hamas-Ministern für niemanden eine schöne Vorstellung ist. Als Alternative droht jedoch ein erneuter Rückfall in den innerpalästinensischen Bürgerkrieg und eine weitere Steigerung des iranischen Einfluss. Das kann erst recht nicht in Israels Interesse sein.«
Dieser wissenschaftliche Mitarbeiter fordert also, ganz seiner Dienstherrin folgend, die Anerkennung der neuen palästinensischen Regierung, die Akzeptanz von Hamas-Ministern sowie den Verzicht auf die bislang gültigen Vorbedingungen für Verhandlungen. Er hält insbesondere die Anerkennung des Existenzrechts Israels für disponibel. Und, wie all diese deutschen ›Nahost-Experten‹, glaubt er recht genau zu wissen, was in Israels Interesse sei und was nicht.
Interessant an Behrensen ist nicht nur, dass er das Lied seiner Herrin singt – was einem so aufstrebenden Jungakademiker in der deutschen Politiklandschaft wohl zugestanden werden muss –, sondern dass er sich auch außerhalb der Bundestags-Büroräume politisch entsprechend betätigt. Das aber steht nicht im Dienstvertrag. Will man Israel am effektivsten in die Parade fahren, so tut man dies, so viel hat der junge Behrensen bereits gelernt, auch ›zivilgesellschaftlich‹ als vorgeblicher ›Freund Israels‹. Die Karriere des Politikwissenschaftlers führte folgerichtig als Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen über das Berliner Büro des American Jewish Committee schließlich in den Bundestag; er war zuvor als Autor der Jungle World ebenso tätig wie als Aktivist des Berliner Bündnisses gegen Antisemitismus und Antizionismus, später nur noch des Bündnisses gegen Antisemitismus, so als wäre der Antizionismus nicht mehr der ausdrücklichen Erwähnung wert.
Behrensen betätigte sich 2002 als Mitorganisator einer Kundgebung vor der SPD-Zentrale in Berlin, da Kanzler Schröder ausgerechnet am 8. Mai mit Martin Walser über Nation und Patriotismus öffentlich zu räsonieren gedachte. Doch der Protest sollte für den Veranstalter keineswegs karriereschädlich wirken; Behrensen sprach im Vorfeld bei der Parteizentrale vor, damit sein Engagement ja nicht falsch verstanden würde. Selbst die kleinste Rebellion gerät so gänzlich konformistisch.
Ferner ist Arne Behrensen Mitorganisator der jährlichen Berliner Kleinstdemonstration gegen den internationalen Al Quds-Tag, und er schafft es hier, die üblichen B-Promis von Lea Rosh über Claudia Roth bis hin zu Eberhard Seidel vom »Kinder-Stürmer« taz (Henryk M. Broder) zusammenzubringen, um kund zu tun, man habe zwar »unterschiedliche Meinungen zu dem andauernden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern«, trete aber gemeinsam »für eine friedliche und für beide Seiten akzeptable Zweistaatenlösung ein«, um gerade in diesem Zusammenhang ausdrücklich »jede Diskriminierung von Menschen muslimischen Glaubens oder migrantischen Hintergrunds« abzulehnen. Das iranische Regime instrumentalisiere »schamlos den israelisch-palästinensischen Konflikt zu Lasten auch der Palästinenserinnen und Palästinenser«, während bei den sich so Kundgebenden von Israel nur als nationaler Entität, nicht aber im Sinne sehr konkret bedrohter Menschen die Rede ist. [3]
Derlei simulierter Betriebsamkeit, mittels welcher ein breites Bündnis gesucht wird, geht es mitnichten darum, Israel ernsthaft zu unterstützen. Es wird auf den großen gesellschaftlichen Konsens abgezielt, statt genau diesen auf Grundlage der allbekannten empirischen Fakten zu kritisieren. Eben darum auch wird jede Deutlichkeit der politischen Aussage solange gedämpft, bis das gesamte Milieu der ›Israelkritiker‹ für eine zur hohlen Geste verkommene Veranstaltung eingemeindet werden kann. Eine solche Veranstaltung erfüllt ihren Zweck dann genau darin, zur Dienstleistung am teilnehmenden ›Israelkritiker‹ zu werden. Mit dem guten Gefühl, sich als ›Freund Israels‹ nun hinlänglich ausgewiesen zu haben, lässt sich fürderhin moralisch legitimiert gegen jene zu Felde ziehen, die nicht aus taktischen Erwägungen, sondern aus grundsätzlicher Parteinahme gegen den Neuen Antisemitismus und den darin enthaltenen eliminatorischen Antizionismus auftreten.
Nur ein Beispiel: Unterstützte Eberhard Seidel von der taz im Oktober 2006 die letzte Demonstration gegen den Al Quds-Tag, so tat er dies im besten Glauben, sich in keinem Widerspruch zu seinem im gleichen Monat erschienenen Artikel über »Gesundes Volksempfinden« zu befinden: Dort schloss er »Feuilleton, Bürger und Rechtsextreme« kurz, die sich im gemeinsamen »Widerstand gegen die islamische Landnahme in Deutschland« befänden, wobei er »den Welt-Autor und niederländischen Schriftsteller Leon de Winter« als »Rassisten« denunzierte und Henryk M. Broder, der »heute noch mangelnden Widerstand gegenüber Islam und Islamismus beklagt«, unterstellte, er habe »schlicht die Entwicklungen der letzten Jahre verschlafen«, denn genau seine »Stichworte werden längst von rechtsgerichteten Organisationen« wie beispielsweise der NPD aufgegriffen. Seidel resümierte: »Ein ganzes Volk ist vereint im antiislamischen Widerstand.« [4] Ein halbes Jahr später widerspricht er abermals der These vom »islamischen Antisemitismus«; dieser Judenhass speise sich eben »nicht aus religiösen Quellen, sondern ist ein modernes Phänomen«. So sind nicht die Mullahs, so ist wieder einmal nur die Moderne an allem schuld. Seidel hat von Dialektik nicht die geringste Ahnung und ist auch sonst ein anständiger Linker: antimodern bis ins Kreuzberger Mark. Also spricht er sich grundsätzlich gegen das »Konstrukt vom ›islamischen‹ oder ›muslimischen Antisemitismus‹« aus; er differenziert, denn »nicht jede Kritik eines palästinensischen Jugendlichen oder eines Imams an der Besatzungspolitik Israels ist per se antisemitisch«. Und er glaubt zu wissen: »Zumeist erging es der jüdischen Bevölkerung unter muslimischer Herrschaft ... besser als im christlichen Abendland.« Deshalb empfiehlt er auch: »Mit dem Imam gegen Judenhass.« [5] Und das schreibt er ohne jede Ironie. Bitter ernst ist es ihm auch mit dem Anliegen, die eh schon allzu bescheidene ernsthafte Unterstützung Israels bestmöglich zu sabotieren. Seidel versucht dies beispielsweise auch dadurch, dass er Publizisten wie de Winter und Broder denunziert und in die Nähe des Rassismus und Rechtsextremismus rückt.
Am Beispiel Eberhard Seidels wird deutlich: Wer mit solchen den Konsens und das Bündnis für Israel sucht, nimmt die Verharmlosung des eliminatorischen Antizionismus und der evidentesten Gefahr für Israel, also des real existierenden Islamismus, willentlich in Kauf. Eben diese Verharmlosung aber ist de facto eine Politik gegen Israel. Solche vorgeblichen Bündnisse für Israel dienen, und das ist ihr eigentlicher politischer impact, der moralischen Absicherung eben jener Teilnehmer, deren ›Israelsolidarität‹ sich gemeinhin in ›Israelkritik‹ erschöpft. Und dafür können die eingeladenen Bündnispartner den Veranstaltern durchaus dankbar sein.
Arne Behrensen, der bereits erwähnte junge Mann im Vorzimmer Kerstin Müllers, will nicht nur Bündnisse organisieren oder Briefe im Auftrag seiner Chefin beantworten, sondern fühlt sich zum Behufe seiner ›Israelunterstützung‹ gar zu einem programmatischen Aufsatz bemüßigt, den jüngst das Onlinemagazin Hagalil abzudrucken bereit war [6]. In diesem Elaborat wendet er sich gegen jede »alarmistische Rhetorik« in Bezug auf die antisemitischen Vernichtungsfantasien des Iran, so, als wäre es im Angesicht der atomaren Bedrohung erste deutsche Bürgerpflicht, nur die Ruhe zu bewahren. Diese Friedhofsruhe empfiehlt Behrensen zuvörderst den Bedrohen selbst; sie werde aber durch jene proisraelischen Gruppen gestört, die mit dem »unseriösen Auftreten ihrer exzentrischen Vertreter ... vorwiegend christlich-fundamentalistische und antideutsch-linksradikale Bündnispartner« anzögen und damit einem »breiten gesellschaftlichen Bündnis im Wege« stünden. So spricht der Spießer, der selbst einst im »antideutsch-linksradikalen« Milieu sich profilierte und nun vor allem Seriosität anmahnt. Darin manifestiert sich aber vor allem die Entsolidarisierung von jenen jüdischen Organisationen, deren proisraelische Haltung grundsätzlich außer Frage steht. Behrensen müht sich redlich, eben diese Organisationen zur Distanzierung von ihren letzten verbliebenen Partnern zu zwingen und sie damit noch einsamer dastehen zu lassen. Und weil derlei Denunziation nicht erst seit Behrensens Traktat marodiert, so wird sich tatsächlich, wie eingefordert, sicherheitshalber distanziert; wohl aber nur so lange, bis man begreift, selbst das eigentliche Ziel der Denunziation zu sein. [7] Außerdem ist Behrensens Nötigung ganz unnötig und zeugt von wirrer Projektion; wesentliche Kerntruppen der Antideutschen haben sich nämlich aus ihren eigenen falschen Gründen schon längst aus der praktischen Kooperation mit dem, wie sie es nennen, »organisierten Judentum« [8] zurückgezogen.
Behrensen erschöpft seine Kräfte nun darin, vor einem Militärschlag gegen den Iran zu warnen: »Die Aussichten, das iranische Atomprogramm auf diese Weise effektiv stoppen zu können, sind mehr als zweifelhaft, der Bau der Bombe könnte sogar unausweichlicher werden.« Die Versuche also, die Bombe zu verhindern, würden die Bombe des Iran erst »unausweichlich« machen. Darüber hinaus gilt ihm bereits jede »Forderung nach einem Militärschlag und demonstrative Planung« als »gefundenes Fressen für den innenpolitisch durch verlorene Kommunal- und Expertenratswahlen sowie Wirtschaftsprobleme geschwächten Ahmadinedjad.« Bloß den Bären nicht reizen!, so lautet allenthalben die Warnung des ängstlichen Tierpflegers im Zoologischen Garten.
Beim Insistieren auf Verhandlungen geht es Behrensen nach Eigenauskunft letztlich auch darum, Israel vor seinem eigenen Handeln, nämlich den »gefährlichen Optionen« eines Militäreinsatzes, zu bewahren. So viel Fürsorge hat Kerstin Müllers Adjutant allemal zu bieten. Seine Handlungsoptionen: »Differenzen bei der Beurteilung des israelisch-palästinensischen Konflikts zurückzustellen und gemeinsam eine für beide Seiten akzeptable Zweistaatenlösung zu vertreten«, denn »alles andere bedient die Propaganda des iranischen Regimes«. Entkommt man dieser »Propagandafalle«, dann wird es auch etwas mit dem breiten gesellschaftlichen Bündnis. Doch wofür steht dieses dann? Ganz sicher nicht für »explizit pro-israelische Kampagnen«; eine »ausschließliche Konzentration auf die Atomfrage und die Bedrohung Israels ist kontraproduktiv«, denn »die überwiegende Mehrheit der Iraner ist keineswegs pro-israelisch, sondern eher pro-palästinensisch eingestellt«. Wollen die Feinde Israels den jüdischen Staat von Landkarte streichen, so wollen selbsterklärte ›Freunde‹ Israels den jüdischen Staat wenigstens schon einmal von der Agenda streichen. Aus rein taktischen Gründen, versteht sich.
Behrensen überlässt die wirklich große Politik zwar noch seiner Dienstherrin; der Parvenü geduldet sich einstweilen am unteren Ende der Karriereleiter. Aber er tut schon, was er kann, um proisraelische Kampagnen zu okkupieren, und dort, wo dies nicht gelingt, zu behindern. Unsinn zu schreiben allein reicht da nicht aus. Behrensens persönlicher Einsatz mag manchmal kurios wirken; lustig ist es aber nicht, was sich da im Vorfeld der Anti-Ahmadinedjad-Demonstration Anfang des Jahres in Berlin tat, als Behrensen eifrig Unterstützer dieser Demo, insbesondere jene aus dem linken und aus dem iranischen Umfeld, ebenso einfältig wie eindringlich agitierte, diese Unterstützung ja wieder einzustellen.
Andrea Livnat, Mitherausgeberin des Onlinemagazins Hagalil, wundert sich nun über vereinzelte negative Reaktionen auf Arne Behrensens Text, hatte die Gute doch nur gehofft, »eine Diskussion über das ›Wie‹ der Israelsolidarität« anstoßen zu können [9]. Sie fragt sich, Partei für Behrensen ergreifend: »Ist jede Kritik gleich so zu interpretieren, dass man am Existenzrecht Israels zweifelt?« Und damit klingt sie wie jeder ordinäre ›Israelkritiker‹, der immer schon die ›Antisemitismuskeule‹ fürchtet und deshalb diese dümmliche Frage bei jeder Gelegenheit wiederholt. Andrea Livnat ist ganz zerknirscht: »Bei solcher Dämonisierung, wie können wir hier die Basis zur Gemeinsamkeit finden?«
Die Antwort ist simpel: gar nicht.
Denn es gibt jene, die selbst aus taktischen Erwägungen nicht von Israel schweigen wollen, die aus Sorge um den jüdischen Staat, nein, aus Sorge um das Leben seine Bürger, nicht jede militärische Option grundsätzlich ausschließen, die eine Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel nicht zur Disposition stellen, die eine palästinensische Regierung zweier Terrororganisationen nicht für akzeptabel halten, und die nicht den Alarm zurückhalten, wenn ein zweiter Holocaust angekündigt wird. Es sind eben jene, die all diese Punkte als unhintergehbare Basisbanalitäten der Unterstützung Israels betrachten.
Konsensfähig ist das alles nicht. Wer das versteht, hat schon viel über Deutschland verstanden.
[1] http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/objekt.php3?artikel_id=2756995
[2] http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/597379/
[3] http://www.gegen-al-quds-tag.de/aufruf.html
[4] http://www.taz.de/pt/2006/10/07/a0142.1/text
[5] http://www.taz.de/pt/2007/03/15/a0128.1/text
[6] http://www.hagalil.com/archiv/2007/03/atombombe.htm
[7] http://www.hagalil.com/archiv/2007/03/stawski.htm
[8] http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/AntwortGrossdemonstration.htm
[9] http://www.hagalil.com/archiv/2007/03/israelsolidaritaet.htm
Sonntag, 25. März 2007
Die Versuchungen der Resignation
Benny Morris befürchtet für Israel einen zweiten Holocaust. Niemand, so der israelische Historiker, wird den Iran davon abhalten, seine nuklearen Vernichtungsphantasien in die Tat umzusetzen. In resignativer Stimmung stürzen manche sich in verzweifelte Pseudoaktivität, andere kultivieren die »Einsamkeit des Kritikers«. Adorno aber meinte einmal, »kompromisslos kritisches Denken« habe sich der »törichten Weisheit der Resignation« zu verweigern [1]. Im Versuch der Vermittlung nämlich rettet die Kritik die Hoffnung.
Heinrich Blücher soll einmal gesagt haben, Optimisten wären Dummköpfe, Pessimisten aber Feiglinge. Mehr als nur ein bonmot ist dies die Essenz seiner Erfahrung: durch Gasvergiftung im Ersten Weltkrieg über den imperialistischen Krieg belehrt, durch Mitgliedschaft im Spartakusbund und in der Kommunistischen Partei vom Kommunisten nicht zum Antikommunisten, sondern zum Ex-Kommunisten geworden (eine Unterscheidung, die seine spätere Frau Hannah Arendt stets herausstellte), weiter politisch als Antifaschist und nicht-jüdischer Zionist aktiv und darum zur Flucht vor den Nazis nach Amerika gezwungen – Blücher hielt zu jeder Zeit trotz düsterer Prognose an der Möglichkeit politischen Handelns fest.
Dass es für Optimismus keinen Grund gibt, scheint damals wie heute evident. Die Entwicklungen im Nahen Osten, vom verlorenen Krieg Israels gegen die Hisbollah im Libanon bis zur nahezu ungehinderten nuklearen Aufrüstung des Iran, machen dies triftig. Auch der desolate Zustand derer, die hierzulande vorgeben, für Israel einzutreten, stimmt wenig zuversichtlich; die mangels Masse gescheiterte »Massendemonstration« gegen Ahmadinedjad in Berlin Ende Januar mag dafür beispielhaft stehen.
Doch Pessimismus taugt nicht als Alternative. Denn Pessimismus bedeutet, will man Blüchers Wort folgen, Feigheit, insofern mit der Prognose auf immer schlechter und schlechter werdende Verhältnisse die eigene Ohnmacht durch den Ohnmächtigen selbst erst zementiert wird. Mit der Behauptung, es habe doch kein Handeln mehr irgendeine Aussicht auf Erfolg, wird die eigene Tatenlosigkeit gerechtfertigt. Man kann es sich im Pessimismus wie im Optimismus recht behaglich einrichten, denn bei beidem erscheint das Denken und Handeln der anderen stets unnütz, da doch Geschichte, als negativ oder positiv determiniertes Schicksal begriffen, sich dem Eingreifen des Einzelnen vermeintlich entzieht.
Im Grunde ist es auch eine pessimistische Grundhaltung, wenn mit dem Verweis auf einen Zentralbegriff der Kritischen Theorie – »gesellschaftliche Totalität« – vorgeblich proisraelische Linke das politische Handeln de facto einstellen und nur noch generaloppositionelle »Kritik« zum alleinigen Behufe der Selbstvergewisserung innerhalb der in group betreiben. Darüber verkommt solche »Kritik« zum bloßen Gestus, weil sie die Furcht vor dem »Mitmachen« durch das Beharren im von Zweifeln nicht tangierten, hermetischen, immer nur noch kleiner werdenden Raum zu bannen sucht. Im Zuge solcher Regression ist wohl nicht einmal die Kritische Theorie davor gefeit, als Jargon missbraucht zu werden. [2]
Dabei wäre gerade die dialektische Mühsal des kritischen Denkens angeraten. Ein solches Denken nämlich, dass die Totalität und die Möglichkeit ihrer Durchbrechung stets zusammen zu bringen vermag, »verlangt heute Parteinahme für die Residuen von Freiheit, für Tendenzen zur realen Humanität, selbst wenn sie angesichts des großen historischen Zuges ohnmächtig scheinen.« [3] So jedenfalls ist es in einer späten Vorrede zur Dialektik der Aufklärung zu lesen. Und früher schon, in der Minima Moralia, vermerkt Adorno, »es ist keine Schönheit und kein Trost mehr außer in dem Blick, der aufs Grauen geht, ihm standhält und im ungemilderten Bewusstsein der Negativität die Möglichkeit des Besseren festhält.« [4]
Ein Blick, der aufs Grauen geht, muss heute einer in die Vergangenheit und die Zukunft zugleich sein. Der israelische Historiker Benny Morris hat ihn jüngst gewagt und dargelegt, dass ein zweiter Holocaust bevorsteht, weil niemand den Iran daran hindert, Israel nuklear zu vernichten. [5] Morris erinnert an die Vorgeschichte des ersten Holocaust, dem ein Jahrzehnt vorangegangen war, »in dem die Herzen und Hirne auf ihn vorbereitet wurden«. So aber ist es heute auch: »Verschiedene Botschaften haben verschiedene Publikumskreise erreicht, aber alle haben nur einem Ziel gedient, der Dämonisierung Israels.« Und dann, wenn es soweit ist, wird es sein wie damals; »wie im ersten Holocaust wird die internationale Gemeinschaft nichts tun.« Und es wird doch völlig anders sein, denn die Mörder werden den Opfern nicht mehr nahe kommen müssen, es wird ein Töten aus großer Distanz sein: »Im nächsten Holocaust wird es keine solch herzzerreißenden Szenen geben, wo Täter und Opfer von Blut besudelt sind.«
Benny Morris schreibt, als wäre diese Entwicklung mit historischer Notwendigkeit vorgezeichnet, er schreibt vordergründig resigniert. Und doch: In dem Moment, da er, sich einer Öffentlichkeit zuwendend, schreibt, rettet er die Möglichkeit einer anderen Entwicklung. Was zunächst als düstere Vision mit triftigen Gründen ausgebreitet wird, ist doch eigentlich ein Appell: verzweifelt vielleicht, und dennoch eine Intervention, die, so vage die angesprochene Öffentlichkeit auch immer sein mag, noch nicht jede Hoffnung aufgegeben hat. So löst gerade Morris die Forderung ein, »im ungemilderten Bewusstsein der Negativität die Möglichkeit des Besseren« festzuhalten.
Das Beharren auf dieser »Möglichkeit des Besseren«, die Hoffnung also, gestaltet sich als ein Beharren wider besseres Wissen, denn was gewusst werden kann, hat Morris in aller Eindringlichkeit formuliert.
Die Hoffnung sich aber dadurch zu erhalten, dass der Blick den Zumutungen entzogen wird, man sich also absichtsvoller Blindheit hingibt, ist auch eine Form der Resignation: es ist die Resignation vor der Realität, die man beschließt, nicht mehr zur Kenntnis nehmen zu wollen. Wenn heute noch für Israel Politik gemacht werden soll, indem in Deutschland auf öffentlichen Plätzen »frisch gepresster Orangensaft aus Jaffaorangen und frisch zubereitete Falafel« [6] angeboten werden, dann hat dies tragikomische Züge. Hier wird einer Pseudorealität eine Pseudoaktivität entgegengesetzt [7] – und die wohlmeinenden Aktivisten vermögen nicht einmal mehr ihr eigenes Scheitern zu erkennen. Es ist wahrlich sinnfrei, sich gedankenlos der Praxis zuzuwenden, der alten Parole »Genug des Geredes« folgend, die eigene Rede einzustellen, und darüber, wie Adorno in seinen Überlegungen zur Resignation festhielt, zum Handeln sich terrorisieren zu lassen [8].
Die Hoffnung aber fahren zu lassen, ist die andere Form der Resignation. Wird das Politische dann allenfalls als »Einsamkeit des Kritikers« noch kultiviert, wird sich also nicht mehr um die Vermittlung der Kritik bemüht, weil an ihre Vermittelbarkeit nicht mehr geglaubt wird, so ist das angewandte Denkverfahren das der Distinktion, mithin der Gegenbegriff zu aller dialektischen Vermittlung [9]. Am Ende bleibt selbstgenügsame und selbstzufriedene Rechthaberei; der politische impact tangiert gegen Null.
Wird also ein Begriff von der »Einsamkeit des Kritikers« gepflegt, bei dem nicht ein intellektueller Zustand in der politischen Auseinandersetzung gemeint ist, sondern ein geradezu physischer Zustand außerhalb des gesellschaftlichen Raumes, so ist ein solcher Begriff schon ganz verkümmert. Dabei schärft sich Kritik erst in der Auseinandersetzung, hat sich hier zu äußern und – scheitert oft mit Notwendigkeit. Denn die Rede von der »Einsamkeit des Kritikers« macht genau hier Sinn, wo der Kritiker sich weder zum positiv gestimmten Mitmachen verpflichten lässt, während darüber das eigene Denken zu dispensieren wäre, noch sich der Anstrengung entledigt, die Kritik in die Auseinandersetzung zu tragen, statt sie der hermetisch abgeriegelten in group, in der kein Streit ist, vorzubehalten. Gerade weil Kritik, tritt sie den zu Kritisierenden zu nahe, als querulant erscheint, scheitert sie in der Praxis. Doch ist es auch gar nicht ihr Anliegen, in Praxis umgesetzt zu werden, sondern vielmehr jede Praxis zu hinterfragen.
Darum gilt, am eigenen Denken, an der Realität und an der Hoffnung festzuhalten, und diese Hoffung ist wohl begründet: »Was triftig gedacht wurde, muss woanders, von anderen gedacht werden: das Vertrauen begleitet noch den einsamsten und ohnmächtigsten Gedanken.« [10] Die Anstrengung der dialektischen Vermittlung erst befördert diese Hoffnung; wer sich ihr entzieht, hat längst schon aufgegeben. Dies gilt auch in Bewusstsein der Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens: »Ein solcher emphatischer Begriff von Denken allerdings ist nicht gedeckt, weder von bestehenden Verhältnissen noch von zu erreichenden Zielen, noch von irgendwelchen Bataillonen.« [11]
[1] Theodor W. Adorno: Resignation. In: Kulturkritik und Gesellschaft II (Gesammelte Werke Band 10.2), Seite 798
[2] Ein evidentes Beispiel für die Verkümmerung kritisch-theoretischer Begriffe zur Phrase bietet das aktuelle Editorial der Zeitschrift prodomo.
[3] Theodor W. Adorno: Zur Neuausgabe. In: Dialektik der Aufklärung (Gesammelte Werke Band 3), Seite 9
[4] Theodor W. Adorno: Herr Doktor, das ist schön von Euch. In: Minima Moralia (Gesammelte Werke Band 4), Seite 26
[5] Benny Morris: Der zweite Holocaust
[6] http://www.jerusalem-schalom.de/israeltag.htm
[7] Theodor W. Adorno: Resignation. in: Kulturkritik und Gesellschaft II (Gesammelte Werke Band 10.2), Seite 796
[8] Ebenda, Seite 798
[9] Theodor W. Adorno: Kierkegaard. Konstruktion des Ästhetischen. (Gesammelte Werke Band 2), Seite 125
[10] Theodor W. Adorno: Resignation. In: Kulturkritik und Gesellschaft II (Gesammelte Werke Band 10.2), Seite 797
[11] Ebenda, Seite 798
Heinrich Blücher soll einmal gesagt haben, Optimisten wären Dummköpfe, Pessimisten aber Feiglinge. Mehr als nur ein bonmot ist dies die Essenz seiner Erfahrung: durch Gasvergiftung im Ersten Weltkrieg über den imperialistischen Krieg belehrt, durch Mitgliedschaft im Spartakusbund und in der Kommunistischen Partei vom Kommunisten nicht zum Antikommunisten, sondern zum Ex-Kommunisten geworden (eine Unterscheidung, die seine spätere Frau Hannah Arendt stets herausstellte), weiter politisch als Antifaschist und nicht-jüdischer Zionist aktiv und darum zur Flucht vor den Nazis nach Amerika gezwungen – Blücher hielt zu jeder Zeit trotz düsterer Prognose an der Möglichkeit politischen Handelns fest.
Dass es für Optimismus keinen Grund gibt, scheint damals wie heute evident. Die Entwicklungen im Nahen Osten, vom verlorenen Krieg Israels gegen die Hisbollah im Libanon bis zur nahezu ungehinderten nuklearen Aufrüstung des Iran, machen dies triftig. Auch der desolate Zustand derer, die hierzulande vorgeben, für Israel einzutreten, stimmt wenig zuversichtlich; die mangels Masse gescheiterte »Massendemonstration« gegen Ahmadinedjad in Berlin Ende Januar mag dafür beispielhaft stehen.
Doch Pessimismus taugt nicht als Alternative. Denn Pessimismus bedeutet, will man Blüchers Wort folgen, Feigheit, insofern mit der Prognose auf immer schlechter und schlechter werdende Verhältnisse die eigene Ohnmacht durch den Ohnmächtigen selbst erst zementiert wird. Mit der Behauptung, es habe doch kein Handeln mehr irgendeine Aussicht auf Erfolg, wird die eigene Tatenlosigkeit gerechtfertigt. Man kann es sich im Pessimismus wie im Optimismus recht behaglich einrichten, denn bei beidem erscheint das Denken und Handeln der anderen stets unnütz, da doch Geschichte, als negativ oder positiv determiniertes Schicksal begriffen, sich dem Eingreifen des Einzelnen vermeintlich entzieht.
Im Grunde ist es auch eine pessimistische Grundhaltung, wenn mit dem Verweis auf einen Zentralbegriff der Kritischen Theorie – »gesellschaftliche Totalität« – vorgeblich proisraelische Linke das politische Handeln de facto einstellen und nur noch generaloppositionelle »Kritik« zum alleinigen Behufe der Selbstvergewisserung innerhalb der in group betreiben. Darüber verkommt solche »Kritik« zum bloßen Gestus, weil sie die Furcht vor dem »Mitmachen« durch das Beharren im von Zweifeln nicht tangierten, hermetischen, immer nur noch kleiner werdenden Raum zu bannen sucht. Im Zuge solcher Regression ist wohl nicht einmal die Kritische Theorie davor gefeit, als Jargon missbraucht zu werden. [2]
Dabei wäre gerade die dialektische Mühsal des kritischen Denkens angeraten. Ein solches Denken nämlich, dass die Totalität und die Möglichkeit ihrer Durchbrechung stets zusammen zu bringen vermag, »verlangt heute Parteinahme für die Residuen von Freiheit, für Tendenzen zur realen Humanität, selbst wenn sie angesichts des großen historischen Zuges ohnmächtig scheinen.« [3] So jedenfalls ist es in einer späten Vorrede zur Dialektik der Aufklärung zu lesen. Und früher schon, in der Minima Moralia, vermerkt Adorno, »es ist keine Schönheit und kein Trost mehr außer in dem Blick, der aufs Grauen geht, ihm standhält und im ungemilderten Bewusstsein der Negativität die Möglichkeit des Besseren festhält.« [4]
Ein Blick, der aufs Grauen geht, muss heute einer in die Vergangenheit und die Zukunft zugleich sein. Der israelische Historiker Benny Morris hat ihn jüngst gewagt und dargelegt, dass ein zweiter Holocaust bevorsteht, weil niemand den Iran daran hindert, Israel nuklear zu vernichten. [5] Morris erinnert an die Vorgeschichte des ersten Holocaust, dem ein Jahrzehnt vorangegangen war, »in dem die Herzen und Hirne auf ihn vorbereitet wurden«. So aber ist es heute auch: »Verschiedene Botschaften haben verschiedene Publikumskreise erreicht, aber alle haben nur einem Ziel gedient, der Dämonisierung Israels.« Und dann, wenn es soweit ist, wird es sein wie damals; »wie im ersten Holocaust wird die internationale Gemeinschaft nichts tun.« Und es wird doch völlig anders sein, denn die Mörder werden den Opfern nicht mehr nahe kommen müssen, es wird ein Töten aus großer Distanz sein: »Im nächsten Holocaust wird es keine solch herzzerreißenden Szenen geben, wo Täter und Opfer von Blut besudelt sind.«
Benny Morris schreibt, als wäre diese Entwicklung mit historischer Notwendigkeit vorgezeichnet, er schreibt vordergründig resigniert. Und doch: In dem Moment, da er, sich einer Öffentlichkeit zuwendend, schreibt, rettet er die Möglichkeit einer anderen Entwicklung. Was zunächst als düstere Vision mit triftigen Gründen ausgebreitet wird, ist doch eigentlich ein Appell: verzweifelt vielleicht, und dennoch eine Intervention, die, so vage die angesprochene Öffentlichkeit auch immer sein mag, noch nicht jede Hoffnung aufgegeben hat. So löst gerade Morris die Forderung ein, »im ungemilderten Bewusstsein der Negativität die Möglichkeit des Besseren« festzuhalten.
Das Beharren auf dieser »Möglichkeit des Besseren«, die Hoffnung also, gestaltet sich als ein Beharren wider besseres Wissen, denn was gewusst werden kann, hat Morris in aller Eindringlichkeit formuliert.
Die Hoffnung sich aber dadurch zu erhalten, dass der Blick den Zumutungen entzogen wird, man sich also absichtsvoller Blindheit hingibt, ist auch eine Form der Resignation: es ist die Resignation vor der Realität, die man beschließt, nicht mehr zur Kenntnis nehmen zu wollen. Wenn heute noch für Israel Politik gemacht werden soll, indem in Deutschland auf öffentlichen Plätzen »frisch gepresster Orangensaft aus Jaffaorangen und frisch zubereitete Falafel« [6] angeboten werden, dann hat dies tragikomische Züge. Hier wird einer Pseudorealität eine Pseudoaktivität entgegengesetzt [7] – und die wohlmeinenden Aktivisten vermögen nicht einmal mehr ihr eigenes Scheitern zu erkennen. Es ist wahrlich sinnfrei, sich gedankenlos der Praxis zuzuwenden, der alten Parole »Genug des Geredes« folgend, die eigene Rede einzustellen, und darüber, wie Adorno in seinen Überlegungen zur Resignation festhielt, zum Handeln sich terrorisieren zu lassen [8].
Die Hoffnung aber fahren zu lassen, ist die andere Form der Resignation. Wird das Politische dann allenfalls als »Einsamkeit des Kritikers« noch kultiviert, wird sich also nicht mehr um die Vermittlung der Kritik bemüht, weil an ihre Vermittelbarkeit nicht mehr geglaubt wird, so ist das angewandte Denkverfahren das der Distinktion, mithin der Gegenbegriff zu aller dialektischen Vermittlung [9]. Am Ende bleibt selbstgenügsame und selbstzufriedene Rechthaberei; der politische impact tangiert gegen Null.
Wird also ein Begriff von der »Einsamkeit des Kritikers« gepflegt, bei dem nicht ein intellektueller Zustand in der politischen Auseinandersetzung gemeint ist, sondern ein geradezu physischer Zustand außerhalb des gesellschaftlichen Raumes, so ist ein solcher Begriff schon ganz verkümmert. Dabei schärft sich Kritik erst in der Auseinandersetzung, hat sich hier zu äußern und – scheitert oft mit Notwendigkeit. Denn die Rede von der »Einsamkeit des Kritikers« macht genau hier Sinn, wo der Kritiker sich weder zum positiv gestimmten Mitmachen verpflichten lässt, während darüber das eigene Denken zu dispensieren wäre, noch sich der Anstrengung entledigt, die Kritik in die Auseinandersetzung zu tragen, statt sie der hermetisch abgeriegelten in group, in der kein Streit ist, vorzubehalten. Gerade weil Kritik, tritt sie den zu Kritisierenden zu nahe, als querulant erscheint, scheitert sie in der Praxis. Doch ist es auch gar nicht ihr Anliegen, in Praxis umgesetzt zu werden, sondern vielmehr jede Praxis zu hinterfragen.
Darum gilt, am eigenen Denken, an der Realität und an der Hoffnung festzuhalten, und diese Hoffung ist wohl begründet: »Was triftig gedacht wurde, muss woanders, von anderen gedacht werden: das Vertrauen begleitet noch den einsamsten und ohnmächtigsten Gedanken.« [10] Die Anstrengung der dialektischen Vermittlung erst befördert diese Hoffnung; wer sich ihr entzieht, hat längst schon aufgegeben. Dies gilt auch in Bewusstsein der Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens: »Ein solcher emphatischer Begriff von Denken allerdings ist nicht gedeckt, weder von bestehenden Verhältnissen noch von zu erreichenden Zielen, noch von irgendwelchen Bataillonen.« [11]
[1] Theodor W. Adorno: Resignation. In: Kulturkritik und Gesellschaft II (Gesammelte Werke Band 10.2), Seite 798
[2] Ein evidentes Beispiel für die Verkümmerung kritisch-theoretischer Begriffe zur Phrase bietet das aktuelle Editorial der Zeitschrift prodomo.
[3] Theodor W. Adorno: Zur Neuausgabe. In: Dialektik der Aufklärung (Gesammelte Werke Band 3), Seite 9
[4] Theodor W. Adorno: Herr Doktor, das ist schön von Euch. In: Minima Moralia (Gesammelte Werke Band 4), Seite 26
[5] Benny Morris: Der zweite Holocaust
[6] http://www.jerusalem-schalom.de/israeltag.htm
[7] Theodor W. Adorno: Resignation. in: Kulturkritik und Gesellschaft II (Gesammelte Werke Band 10.2), Seite 796
[8] Ebenda, Seite 798
[9] Theodor W. Adorno: Kierkegaard. Konstruktion des Ästhetischen. (Gesammelte Werke Band 2), Seite 125
[10] Theodor W. Adorno: Resignation. In: Kulturkritik und Gesellschaft II (Gesammelte Werke Band 10.2), Seite 797
[11] Ebenda, Seite 798
Sonntag, 18. März 2007
Der neue Kalte Krieg
Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Amerikanern und Europäern: Die Amerikaner glauben zwar mehrheitlich an Gott, bauen aber auf das eigene Handeln. Die Europäer dagegen geben sich säkular, ihnen ist die Religiösität vieler Amerikaner ganz fremd, sie vertrauen aber dennoch blind darauf, dass stets alles gut ausgeht.
In wenigen Jahren könnten Staaten wie Nordkorea und der Iran über Interkontinentalraketen mit Atomsprengköpfen verfügen. Das zumindest befürchten die Vereinigten Staaten, und haben gute Gründe dafür. Sie sehen auch die desolate Lage der NATO, die seit 2002 ohne jedes Ergebnis über einen Raketenschutz diskutiert, und glauben keinesfalls an den Erfolg der von Grunde auf zweifelhaften Bemühungen der UNO, eine solche atomare Bedrohung durch Dialogangebote zu bannen.
Die Negation all dessen bestimmt die Haltung der meisten Europäer. Man kann gar eine gewisse Genugtuung erkennen, wenn Europäer den »Niedergang des amerikanischen Imperiums«, wie es so oft in Zeitungskommentaren und auf Buchdeckeln heißt, zu erkennen glauben und daran als Friedensmacht Europa durch vorgebliche Äquidistanz mitwirken wollen.
Weil die Amerikaner, aus Erfahrung klug geworden, nicht auf UNO, NATO und EU zu vertrauen gedenken, wollen sie mit zuverlässigeren Partnern wie Polen und Tschechien schnellstmöglich Elemente eines bodengestützten Raketenabwehrsystems (GMD – Ground-bases Midcourse Defense system) in Europa errichten, um die Vereinigten Staaten, ihre Truppen sowie Alliierte und Partner vor Raketenangriffen zu schützen. Als Bedrohung kann ein solches Schutzschild nur verstehen, wer entweder den Amerikanern und ihren Freunden diese Sicherheit nicht gönnt, oder aber wer aktiv zur Unsicherheit beitragen will, und durch ein solches Raketenabwehrsystems die Chancen dazu geschmälert sieht.
Würden die Europäer eine ähnliche geostrategische Bedrohungseinschätzung haben wie die Vereinigten Staaten, würden sie sich schleunigst unter den amerikanischen Raketenschirm flüchten und ihn bestmöglich unterstützen. Aber das alte Europa fühlt sich nicht bedroht, versteht sich eher in der Rolle des Mediators, ja oft genug auch als Partner derer, vor denen sich Amerika schützen muss.
Diese Spaltung des Westens befördert das Selbstbewusstsein der Russen. Auf der 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik Anfang Februar hielt Präsident Putin eine Rede, die in ihrer undiplomatischen Direktheit bis dahin kaum denkbar erschien. Er erklärte »die unipolare Welt« schlicht für beendet und griff die Außenpolitik der Amerikaner als »nahezu unbeschränkte, überzogene Anwendung militärischer Gewalt« an; die Vereinigten Staaten hätten ihre »nationalen Grenzen in jeder Art und Weise« übertreten. Putin forderte die breite antiamerikanische Verbrüderung. Mit Blick auf die amerikanischen Zumutungen meinte er, diese würden deutlich »in der wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und bildungspolitischen Sphäre, die anderen Nationen übergeholfen werden soll. Nun, wer mag das schon? Wer ist darüber glücklich?« Schließlich führte er noch seine europäischen Freunde vor, denen er den Willen Russlands zu einer herausragenden weltpolitischen Rolle ankündigt: »Wir, auch ich persönlich, wir hören sehr oft Bitten unserer Partner, ja besonders der europäischen Partner, Russland solle eine zunehmend aktivere Rolle in der Weltpolitik spielen. In dieser Beziehung erlaube ich mir eine kleine Anmerkung. Es ist kaum nötig, uns das abzuverlangen. Russland ist ein Land mit einer großen Geschichte, die mehr als eintausend Jahre umfasst, und Russland hat praktisch immer das Privileg in Anspruch genommen, eine unabhängige Außenpolitik zu betreiben.« [1] Niemand, abgesehen von den Amerikanern, reagierte auf Putins Tonfall angemessen kritisch. Im Gegenteil, gerade deutsche Außenpolitiker, unter ihnen auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung, haben wiederholt Verständnis für die Haltung der Russen geäußert.
So sieht sich auch der Oberbefehlshaber der russischen Kommandostreitkräfe, Juri Solowjow, zu fortgesetzter Dreistigkeit ermuntert; das US-Raketenschild, meint der General, würde keine maßgeblichen Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der strategischen Waffen Russlands haben: »Sie können meiner Ansicht nach unsere Interkontinentalraketen nicht gefährden«, so Solowjow [2]. Unter Anspielung auf die in der Tschechischen Republik geplante Radaranlage sagte er, es sei schlecht für Russland, wenn dessen Territorium einer dauerhaften Kontrolle durch die potentiellen Gegner ausgesetzt sei.
Des Generals Drohung, man würde sich durch die Amerikaner zu einem neuen Wettrüsten gezwungen sehen, ist anachronistisch. Dieses hat nämlich schon begonnen. Russland ist längst dabei, mittels der neuen Fla-Raketenkomplexe vom Typ S-400, die ab Juni 2007 an die Armee ausgeliefert werden, binnen weniger Jahre ein »Schutzschild für die staatlichen und militärischen Führungsorgane, etwa 30 Prozent der Bevölkerung des Landes und bis zu 60 Prozent seines Wissenschaftspotentials« aufzubauen [3].
Weder die unverhohlene Drohung des russischen Generals, Polen, die Tschechei und die USA potentiell als Gegner anzusehen, denen man trotz des US-Raketenschildes mittels russischer Interkontinentalraketen gefährlich werden könnte, noch die schon längst stattfindende, massive Um- und Aufrüstung der russischen Streitkräfte, ist den meisten Europäern, mithin den Deutschen, der Erwähnung wert. Sie äußern vielmehr Verständnis für die Russen und setzen alles daran, den Amerikanern einen wirksamen Schutz vor Massenvernichtungswaffen zu verwehren.
Eben weil der transatlantische Grabenbruch so irreparabel groß ist, und die Russen wissen, dass die Amerikaner weder auf NATO noch auf EU, allenfalls noch auf einige Neueuropäer wie die Polen und Tschechen bauen können, wittert die niedergegangene Sowjetmacht Morgenluft: Außenminister Sergej Lawrow freut sich, dass die unipolare Weltordnung gescheitert sei. »Objektiv nimmt das Hyperwachstum der USA in internationalen Angelegenheiten ab. Die Bedeutung des russischen Faktors in der Weltpolitik wird deutlich«, so der Minister auf einer Sitzung des russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik. Gleichzeitig wird seinen Worten nach das Auftauchen neuer Machtzentren evident, die um den Zugang zu Rohstoffen und Einfluss auf die Weltpolitik konkurrieren. »Der Westen verliert das Monopol auf die Steuerung des Globalisierungsprozesses.« [4]
Und ein Teil des Westens, der europäische Westen nämlich, nimmt dies wohl aus eigener antiamerikanischer Ranküne heraus wohlwollend und darum tatenlos zur Kenntnis. Immer deutlicher wird der Anspruch der Russen, sich geostrategisch und militärisch als Gegenmacht zu Amerika zu profilieren. Der neue Kalte Krieg – er hat bereits begonnen.
Die Fronten allerdings verlaufen heute anders. Der Westen nämlich ist tief gespalten; nicht zuletzt die deutsche Außenpolitik unterminiert jede Bemühung der Amerikaner, den heute noch unkalkulierbaren Risiken der nächsten Dekaden – von Russland über China bis zum Nahen und Mittleren Osten – jetzt schon präventiv vorzubauen.
Im Zuge dieses neuen Kalten Krieges unterstützt Russland antiamerikanische Bastionen wie Syrien und den Iran ökonomisch, technologisch und militärisch. Als Journalist, der sich mit diesen Vorgängen kritisch auseinandersetzt, kann man in Moskau schon einmal fünf Etagen tief aus dem Fenster gestürzt werden. So kürzlich geschehen: Wenige Tage vor seiner Ermordung erklärte Iwan Safronow den Herausgebern seiner Tageszeitung Kommersant, er arbeite gerade an einer Geschichte über den Verkauf russischer Iskander-Raketen an Syrien und russischer Kampfflugzeuge an den Iran [5]. Auch dieser Mord wird in Putins Russland – wie die vorangegangenen – nicht aufgeklärt werden. In Europa dazu wieder nur Schweigen. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder nannte seinen Freund Wladimir Putin einst einen »lupenreinen Demokraten«.
Diese absichtsvolle Realitätsverweigerung hat Methode: Schröders ehemaliger Kanzleramtsminister Steinmeier, mitverantwortlich für dessen harten antiamerikanischen Kurs und heute Außenminister im Kabinett Merkel, sieht so auch das Europäische Modell der »Verflechtung und Integration« unter Einschluss Russlands als »einzig zukunftsfähige Antwort auf die zentrale Veränderung im 21. Jahrhundert«. Schon damit wird amerikanischen Politikmodellen eine Absage erteilt. In einem Beitrag für die Zeitschrift Internationale Politik lässt Steinmeier »kritische Fragen nach der künftigen Entwicklung Russlands« kaum gelten: »Mein Eindruck ist, dass gerade in der Generation, die jetzt, 15 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion, Verantwortung in Russland trägt, viele – nicht nur Präsident Putin – Russland eng an Europa binden wollen ... Strategien des ›containment‹, des indifferenten Nebeneinanders oder der nur selektiven Kooperation mit Russland, wie sie mitunter als Rezept für den Umgang mit einem außenpolitisch selbstbewussten, manchmal sehr eigenwillig auftretenden Russland empfohlen werden, sind jedenfalls nicht im europäischen Interesse.« [6]
In Europas Interesse ist aber, Russlands Positionen gegen Amerika zu stärken. In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung [7] stellt Steinmeier süffisant fest, dass »die einzig verbliebene Supermacht, Amerika, erlebt, dass militärische Überlegenheit allein weder Freundschaft noch Frieden erzwingen kann.« Galt bisher, dass Frieden nicht nur, aber auch durch Abschreckung zu gewährleisten ist, erklärt der deutsche Außenminister den Kalten Krieg endgültig für beendet und meint: »Dauerhafter Frieden im Zeitalter der Globalisierung basiert nicht mehr auf militärischer Abschreckung, sondern auf der Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zur Überwindung politischer, kultureller und religiöser Trennlinien.« Steinmeier lehnt die militärische Vorsorge – zumindest die der Amerikaner – ab, denn »Sicherheit darf nicht um den Preis neuen Misstrauens oder gar neuer Unsicherheit erkauft werden«. Steinmeier setzt auf Abrüstung, »umfassende Zusammenarbeit« mit dem Iran, einem »Land mit enormem Entwicklungspotential«. Das alles klingt, wie aus den Flugblättern der deutschen Friedensbewegung abgeschrieben. Alles, was Steinmeier zu bieten hat, ist »mein eindringlicher Appell an die Führung in Teheran«: »Verzichtet auf Atomwaffen und den Bau von Langstreckenraketen, und das in nachprüfbarer Weise!« Was aber geschieht, wenn die Mullahs solche Appelle nicht hören wollen und mit Russlands Hilfe zur Atommacht aufsteigen, dazu hat Steinmeier keine Antworten. Es wäre aber falsch, dem deutschen Außenminister schlicht Naivität zu unterstellen; Deutschland wird zwar schlecht, aber nicht von Dummköpfen regiert, die nicht wissen, was sie tun. Steinmeier bedient ebenso die Stimmung seines friedensbewegten Wahlvolkes wie die Interessen Russlands und in Teilen des Iran, die sich mit seinen Vorstellungen von einer Welt ohne Amerikas Vormachtstellung deckt. Damit trifft er auch den wunden Punkt Angela Merkels.
Denn die Achilles-Ferse der Bundeskanzlerin ist ihre Außenpolitik: Mit ihrer relativ proamerikanischen Grundhaltung, ihrem Versuch, die transatlantischen Beziehungen nach den destruktiven Jahren der Regierung Schröder/Fischer wieder zu verbessern, steht sie in der Koalition, ja selbst in ihrer eigenen Partei ohne Mehrheit da. Würde die Koalition über außenpolitische Fragen ernsthaft ins Streiten kommen, so könnten die Sozialdemokraten mit ihrer ungebrochen antiamerikanischen Position davon ausgehen, bei den nächsten Wahlen daraus Profit ziehen zu können. Um jeden Konflikt schon im Keime zu ersticken, versucht beispielsweise der stellvertretende Unions-Fraktionschefs Andreas Schockenhoff, die Anmaßungen der Sozialdemokraten herunterzuspielen; sie würden keinesfalls einen neuen Streit in der Koalition auslösen. [8] Wie eine neue Umfrage der BBC ermittelt [9], sind mehr als 74% der Deutschen vom äußerst negativen Einfluss der Vereinigten Staaten auf die Weltpolitik überzeugt. Das mag die Bundeskanzlerin anders sehen, nur bleibt die Frage, wie lange sie in außenpolitischen Angelegenheiten gegen ihr eigenes Parlament, gegen ihr eigenes Volk zu regieren vermag.
Versucht Merkel noch das Raketenabwehrsystem in die NATO einzubinden, sind die Sozialdemokraten grundsätzlich dagegen. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck erklärt, er sehe die Sinnhaftigkeit dieser Stationierung nicht [10]. Er appelliert an die Europäer, gemeinsam gegen das Rüstungsprogramm vorzugehen. Es gäbe, so der Parteichef, genügend andere Probleme wie Armut, Klimawandel und Terrorismus [11]. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul stellt die behauptete Bedrohung überhaupt in Frage und gibt sich gewiss: »Bislang verfügen weder der Iran noch Nordkorea über entsprechende Langstreckenraketen.« Sie sieht keinen Grund zum Handeln, denn: »Im Iran selber wird der sicherheitspolitische Kurs des dortigen Präsidenten von manchen zunehmend in Frage gestellt. In Ostasien sehen wir zurzeit erste Schritte kooperativer Lösungen.« Deswegen wäre es »unverantwortlich, mit extrem teuren, technisch unausgereiften und unzuverlässigen Abwehrtechnologien unkalkulierbare politische und militärische Risiken zu erzeugen«. Auch sie will, wie ihr Parteivorsitzender, ganz vom Thema ablenken, fokussiert auf Hunger, Armut, Staatszerfall und Klimawandel, und folgert: »Wir müssen heute die richtigen Prioritäten setzen.« [12] Mit derlei europäischen Partnern hat Russland, hat selbst der Iran weitestgehend freie Hand. Dumm nur für die Europäer, dass sich weder Russland noch der Iran sonderlich um »Hunger, Armut, Staatszerfall und Klimawandel« kümmern, oder wenn doch, dann in äußerst bedenklicher Art und Weise.
In der Union ist es wieder einmal nur Eckart von Klaeden, der deutlich den Appeasern und Kretins widerspricht: »Bisher sind aber die Kritiker der Pläne der USA eine überzeugende Antwort schuldig geblieben, wie unsere Bevölkerung wirksam vor den Gefahren geschützt werden soll, die mit der Aufrüstung des Iran verbunden sind.« Denn nicht die Pläne der USA, sondern die Aktivitäten des Iran brächten die Gefahr eines neuen atomaren Wettrüstens mit sich. Dies berge auch das Risiko der Weitergabe von Nuklearmaterial an Terroristen. »Es ist daher unverständlich, wie man vor den Plänen der USA für ein Raketenabwehrsystem mehr Sorge haben kann als vor dem iranischen Nuklear- und Raketenprogrammen ... Wir dürfen das Richtige nicht unterlassen, nur weil es Moskau falsch verstehen will.« [13]
Mir dieser Position steht Klaeden weitestgehend allein. In der Union regt sich Widerstand gegen den transatlantischen Kurs ihres außenpolitischen Sprechers. Peter Gauweiler (CSU) und Willy Wimmer (CDU), beides Mitglieder im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages, führen die antiamerikanische Fraktion innerhalb der Konservativen an; sie haben erst jüngst eine Verfassungsklage gegen die Unterstützung Deutschlands für den »völkerrechtswidrigen Krieg« der Amerikaner in Afghanistan unternommen. Sein Ressentiment brachte jener Gauweiler kürzlich auf den Punkt, als er in einem Radiointerview behauptete, die Amerikaner führten im Nahen und Mittleren Osten einen Ausrottungskampf gegen fremde Kulturen, geradeso, wie sie es einst mit den Apachen und den Sioux getan hätten [14]. Die Kräfteverhältnisse im deutschen Bundestag sind offensichtlich, da jede Kritik an den absurden Verlautbarungen Gauweilers ausblieb, es vielmehr Zustimmung aus allen Lagern bis hin zur Linkspartei gab. So gibt es, wie es der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer einmal formulierte, keine linke, rechte oder gar grüne Außenpolitik, sondern nur noch deutsche Außenpolitik.
Die Kanzlerin scheint zu erkennen, dass sie mit ihren außenpolitischen Positionen recht allein ist und knickt in allen wesentlichen Fragen ein, überlässt dem Außenminister weitestgehend das Wort. Ihre Äußerungen sind allenfalls noch äquidistant. So brachte sie es bei ihrem jüngsten Besuch in Warschau mit Blick auf den Konflikt um das amerikanische Raketenabwehrsystem nur zu der Formel, Europa dürfe sich »auch in Sicherheitsfragen nicht spalten lassen. Geteilte Sicherheit wäre mangelnde Sicherheit.« Und im Morgenmagazin des ZDF stellt sie deutlicher heraus, dass in Bezug auf die Stationierung von Elementen des Raketenabwehrsystems in Osteuropa die Meinung Russlands berücksichtigt werden müsse.
Das aber ist Unfug. Denn würde Moskaus Meinung berücksichtigt, dürfte es kein amerikanisches Raketenabwehrsystem geben. Genau deshalb muss Russland ignoriert werden. Fühlt es sich von einem Raketenabwehrsystem bedroht, wird es gute Gründe dafür haben. Und eben diese Gründe sprechen allesamt dafür, sich nicht nur vor Teheran und Pjöngjang hinreichend zu schützen. Bleibt zu hoffen, dass die Amerikaner auf ihrem Raketenabwehrsystem beharren und im Fall der Fälle so großzügig sein werden, die Europäer wieder einmal vor den Folgen ihrer eigenen Politik zu schützen.
[1] Wladimir Putin: Rede auf der 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik.
[2] Russland Aktuell: General Solowjow: USA treiben Russland zum Wettrüsten.
[3] RIA Novosti: Erstes Fla-Raketenregiment mit S-400-System wird zum 1. Juni in Dienst gestellt.
[4] RIA Novosti: Lawrow sieht schwindenden Einfluss der USA auf Weltpolitik.
[5] Caroline Glick: Column One: As Syria prepares for war.
[6] Frank-Walter Steinmeier: Verflechtung und Integration. In: Internationale Politik, März 2007
[7] Frank-Walter Steinmeier: Wir wollen kein neues Wettrüsten. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18. März 2007
[8] Reuters: SPD verschärft Kritik an den USA im Raketenstreit.
[9] BBC World Service Poll: Israel and Iran share the most negative ratings in global poll.
[10] Reuters: Merkel kritisiert Polen wegen des geplanten Raketenschutzschilds.
[11] Reuters: SPD verschärft Kritik an den USA im Raketenstreit.
[12] Heidemarie Wieczorek-Zeul: Nachdenken statt Vorrüsten. In: Frankfurter Rundschau, 17. März 2007
[13] dpa: SPD warnt vor Wettrüsten in Europa.
[14] Peter Gauweiler am 5. Januar 2007 im Interview auf DeutschlandRadio Kultur: US-Politik auf dem Irrweg.
In wenigen Jahren könnten Staaten wie Nordkorea und der Iran über Interkontinentalraketen mit Atomsprengköpfen verfügen. Das zumindest befürchten die Vereinigten Staaten, und haben gute Gründe dafür. Sie sehen auch die desolate Lage der NATO, die seit 2002 ohne jedes Ergebnis über einen Raketenschutz diskutiert, und glauben keinesfalls an den Erfolg der von Grunde auf zweifelhaften Bemühungen der UNO, eine solche atomare Bedrohung durch Dialogangebote zu bannen.
Die Negation all dessen bestimmt die Haltung der meisten Europäer. Man kann gar eine gewisse Genugtuung erkennen, wenn Europäer den »Niedergang des amerikanischen Imperiums«, wie es so oft in Zeitungskommentaren und auf Buchdeckeln heißt, zu erkennen glauben und daran als Friedensmacht Europa durch vorgebliche Äquidistanz mitwirken wollen.
Weil die Amerikaner, aus Erfahrung klug geworden, nicht auf UNO, NATO und EU zu vertrauen gedenken, wollen sie mit zuverlässigeren Partnern wie Polen und Tschechien schnellstmöglich Elemente eines bodengestützten Raketenabwehrsystems (GMD – Ground-bases Midcourse Defense system) in Europa errichten, um die Vereinigten Staaten, ihre Truppen sowie Alliierte und Partner vor Raketenangriffen zu schützen. Als Bedrohung kann ein solches Schutzschild nur verstehen, wer entweder den Amerikanern und ihren Freunden diese Sicherheit nicht gönnt, oder aber wer aktiv zur Unsicherheit beitragen will, und durch ein solches Raketenabwehrsystems die Chancen dazu geschmälert sieht.
Würden die Europäer eine ähnliche geostrategische Bedrohungseinschätzung haben wie die Vereinigten Staaten, würden sie sich schleunigst unter den amerikanischen Raketenschirm flüchten und ihn bestmöglich unterstützen. Aber das alte Europa fühlt sich nicht bedroht, versteht sich eher in der Rolle des Mediators, ja oft genug auch als Partner derer, vor denen sich Amerika schützen muss.
Diese Spaltung des Westens befördert das Selbstbewusstsein der Russen. Auf der 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik Anfang Februar hielt Präsident Putin eine Rede, die in ihrer undiplomatischen Direktheit bis dahin kaum denkbar erschien. Er erklärte »die unipolare Welt« schlicht für beendet und griff die Außenpolitik der Amerikaner als »nahezu unbeschränkte, überzogene Anwendung militärischer Gewalt« an; die Vereinigten Staaten hätten ihre »nationalen Grenzen in jeder Art und Weise« übertreten. Putin forderte die breite antiamerikanische Verbrüderung. Mit Blick auf die amerikanischen Zumutungen meinte er, diese würden deutlich »in der wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und bildungspolitischen Sphäre, die anderen Nationen übergeholfen werden soll. Nun, wer mag das schon? Wer ist darüber glücklich?« Schließlich führte er noch seine europäischen Freunde vor, denen er den Willen Russlands zu einer herausragenden weltpolitischen Rolle ankündigt: »Wir, auch ich persönlich, wir hören sehr oft Bitten unserer Partner, ja besonders der europäischen Partner, Russland solle eine zunehmend aktivere Rolle in der Weltpolitik spielen. In dieser Beziehung erlaube ich mir eine kleine Anmerkung. Es ist kaum nötig, uns das abzuverlangen. Russland ist ein Land mit einer großen Geschichte, die mehr als eintausend Jahre umfasst, und Russland hat praktisch immer das Privileg in Anspruch genommen, eine unabhängige Außenpolitik zu betreiben.« [1] Niemand, abgesehen von den Amerikanern, reagierte auf Putins Tonfall angemessen kritisch. Im Gegenteil, gerade deutsche Außenpolitiker, unter ihnen auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung, haben wiederholt Verständnis für die Haltung der Russen geäußert.
So sieht sich auch der Oberbefehlshaber der russischen Kommandostreitkräfe, Juri Solowjow, zu fortgesetzter Dreistigkeit ermuntert; das US-Raketenschild, meint der General, würde keine maßgeblichen Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der strategischen Waffen Russlands haben: »Sie können meiner Ansicht nach unsere Interkontinentalraketen nicht gefährden«, so Solowjow [2]. Unter Anspielung auf die in der Tschechischen Republik geplante Radaranlage sagte er, es sei schlecht für Russland, wenn dessen Territorium einer dauerhaften Kontrolle durch die potentiellen Gegner ausgesetzt sei.
Des Generals Drohung, man würde sich durch die Amerikaner zu einem neuen Wettrüsten gezwungen sehen, ist anachronistisch. Dieses hat nämlich schon begonnen. Russland ist längst dabei, mittels der neuen Fla-Raketenkomplexe vom Typ S-400, die ab Juni 2007 an die Armee ausgeliefert werden, binnen weniger Jahre ein »Schutzschild für die staatlichen und militärischen Führungsorgane, etwa 30 Prozent der Bevölkerung des Landes und bis zu 60 Prozent seines Wissenschaftspotentials« aufzubauen [3].
Weder die unverhohlene Drohung des russischen Generals, Polen, die Tschechei und die USA potentiell als Gegner anzusehen, denen man trotz des US-Raketenschildes mittels russischer Interkontinentalraketen gefährlich werden könnte, noch die schon längst stattfindende, massive Um- und Aufrüstung der russischen Streitkräfte, ist den meisten Europäern, mithin den Deutschen, der Erwähnung wert. Sie äußern vielmehr Verständnis für die Russen und setzen alles daran, den Amerikanern einen wirksamen Schutz vor Massenvernichtungswaffen zu verwehren.
Eben weil der transatlantische Grabenbruch so irreparabel groß ist, und die Russen wissen, dass die Amerikaner weder auf NATO noch auf EU, allenfalls noch auf einige Neueuropäer wie die Polen und Tschechen bauen können, wittert die niedergegangene Sowjetmacht Morgenluft: Außenminister Sergej Lawrow freut sich, dass die unipolare Weltordnung gescheitert sei. »Objektiv nimmt das Hyperwachstum der USA in internationalen Angelegenheiten ab. Die Bedeutung des russischen Faktors in der Weltpolitik wird deutlich«, so der Minister auf einer Sitzung des russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik. Gleichzeitig wird seinen Worten nach das Auftauchen neuer Machtzentren evident, die um den Zugang zu Rohstoffen und Einfluss auf die Weltpolitik konkurrieren. »Der Westen verliert das Monopol auf die Steuerung des Globalisierungsprozesses.« [4]
Und ein Teil des Westens, der europäische Westen nämlich, nimmt dies wohl aus eigener antiamerikanischer Ranküne heraus wohlwollend und darum tatenlos zur Kenntnis. Immer deutlicher wird der Anspruch der Russen, sich geostrategisch und militärisch als Gegenmacht zu Amerika zu profilieren. Der neue Kalte Krieg – er hat bereits begonnen.
Die Fronten allerdings verlaufen heute anders. Der Westen nämlich ist tief gespalten; nicht zuletzt die deutsche Außenpolitik unterminiert jede Bemühung der Amerikaner, den heute noch unkalkulierbaren Risiken der nächsten Dekaden – von Russland über China bis zum Nahen und Mittleren Osten – jetzt schon präventiv vorzubauen.
Im Zuge dieses neuen Kalten Krieges unterstützt Russland antiamerikanische Bastionen wie Syrien und den Iran ökonomisch, technologisch und militärisch. Als Journalist, der sich mit diesen Vorgängen kritisch auseinandersetzt, kann man in Moskau schon einmal fünf Etagen tief aus dem Fenster gestürzt werden. So kürzlich geschehen: Wenige Tage vor seiner Ermordung erklärte Iwan Safronow den Herausgebern seiner Tageszeitung Kommersant, er arbeite gerade an einer Geschichte über den Verkauf russischer Iskander-Raketen an Syrien und russischer Kampfflugzeuge an den Iran [5]. Auch dieser Mord wird in Putins Russland – wie die vorangegangenen – nicht aufgeklärt werden. In Europa dazu wieder nur Schweigen. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder nannte seinen Freund Wladimir Putin einst einen »lupenreinen Demokraten«.
Diese absichtsvolle Realitätsverweigerung hat Methode: Schröders ehemaliger Kanzleramtsminister Steinmeier, mitverantwortlich für dessen harten antiamerikanischen Kurs und heute Außenminister im Kabinett Merkel, sieht so auch das Europäische Modell der »Verflechtung und Integration« unter Einschluss Russlands als »einzig zukunftsfähige Antwort auf die zentrale Veränderung im 21. Jahrhundert«. Schon damit wird amerikanischen Politikmodellen eine Absage erteilt. In einem Beitrag für die Zeitschrift Internationale Politik lässt Steinmeier »kritische Fragen nach der künftigen Entwicklung Russlands« kaum gelten: »Mein Eindruck ist, dass gerade in der Generation, die jetzt, 15 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion, Verantwortung in Russland trägt, viele – nicht nur Präsident Putin – Russland eng an Europa binden wollen ... Strategien des ›containment‹, des indifferenten Nebeneinanders oder der nur selektiven Kooperation mit Russland, wie sie mitunter als Rezept für den Umgang mit einem außenpolitisch selbstbewussten, manchmal sehr eigenwillig auftretenden Russland empfohlen werden, sind jedenfalls nicht im europäischen Interesse.« [6]
In Europas Interesse ist aber, Russlands Positionen gegen Amerika zu stärken. In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung [7] stellt Steinmeier süffisant fest, dass »die einzig verbliebene Supermacht, Amerika, erlebt, dass militärische Überlegenheit allein weder Freundschaft noch Frieden erzwingen kann.« Galt bisher, dass Frieden nicht nur, aber auch durch Abschreckung zu gewährleisten ist, erklärt der deutsche Außenminister den Kalten Krieg endgültig für beendet und meint: »Dauerhafter Frieden im Zeitalter der Globalisierung basiert nicht mehr auf militärischer Abschreckung, sondern auf der Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zur Überwindung politischer, kultureller und religiöser Trennlinien.« Steinmeier lehnt die militärische Vorsorge – zumindest die der Amerikaner – ab, denn »Sicherheit darf nicht um den Preis neuen Misstrauens oder gar neuer Unsicherheit erkauft werden«. Steinmeier setzt auf Abrüstung, »umfassende Zusammenarbeit« mit dem Iran, einem »Land mit enormem Entwicklungspotential«. Das alles klingt, wie aus den Flugblättern der deutschen Friedensbewegung abgeschrieben. Alles, was Steinmeier zu bieten hat, ist »mein eindringlicher Appell an die Führung in Teheran«: »Verzichtet auf Atomwaffen und den Bau von Langstreckenraketen, und das in nachprüfbarer Weise!« Was aber geschieht, wenn die Mullahs solche Appelle nicht hören wollen und mit Russlands Hilfe zur Atommacht aufsteigen, dazu hat Steinmeier keine Antworten. Es wäre aber falsch, dem deutschen Außenminister schlicht Naivität zu unterstellen; Deutschland wird zwar schlecht, aber nicht von Dummköpfen regiert, die nicht wissen, was sie tun. Steinmeier bedient ebenso die Stimmung seines friedensbewegten Wahlvolkes wie die Interessen Russlands und in Teilen des Iran, die sich mit seinen Vorstellungen von einer Welt ohne Amerikas Vormachtstellung deckt. Damit trifft er auch den wunden Punkt Angela Merkels.
Denn die Achilles-Ferse der Bundeskanzlerin ist ihre Außenpolitik: Mit ihrer relativ proamerikanischen Grundhaltung, ihrem Versuch, die transatlantischen Beziehungen nach den destruktiven Jahren der Regierung Schröder/Fischer wieder zu verbessern, steht sie in der Koalition, ja selbst in ihrer eigenen Partei ohne Mehrheit da. Würde die Koalition über außenpolitische Fragen ernsthaft ins Streiten kommen, so könnten die Sozialdemokraten mit ihrer ungebrochen antiamerikanischen Position davon ausgehen, bei den nächsten Wahlen daraus Profit ziehen zu können. Um jeden Konflikt schon im Keime zu ersticken, versucht beispielsweise der stellvertretende Unions-Fraktionschefs Andreas Schockenhoff, die Anmaßungen der Sozialdemokraten herunterzuspielen; sie würden keinesfalls einen neuen Streit in der Koalition auslösen. [8] Wie eine neue Umfrage der BBC ermittelt [9], sind mehr als 74% der Deutschen vom äußerst negativen Einfluss der Vereinigten Staaten auf die Weltpolitik überzeugt. Das mag die Bundeskanzlerin anders sehen, nur bleibt die Frage, wie lange sie in außenpolitischen Angelegenheiten gegen ihr eigenes Parlament, gegen ihr eigenes Volk zu regieren vermag.
Versucht Merkel noch das Raketenabwehrsystem in die NATO einzubinden, sind die Sozialdemokraten grundsätzlich dagegen. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck erklärt, er sehe die Sinnhaftigkeit dieser Stationierung nicht [10]. Er appelliert an die Europäer, gemeinsam gegen das Rüstungsprogramm vorzugehen. Es gäbe, so der Parteichef, genügend andere Probleme wie Armut, Klimawandel und Terrorismus [11]. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul stellt die behauptete Bedrohung überhaupt in Frage und gibt sich gewiss: »Bislang verfügen weder der Iran noch Nordkorea über entsprechende Langstreckenraketen.« Sie sieht keinen Grund zum Handeln, denn: »Im Iran selber wird der sicherheitspolitische Kurs des dortigen Präsidenten von manchen zunehmend in Frage gestellt. In Ostasien sehen wir zurzeit erste Schritte kooperativer Lösungen.« Deswegen wäre es »unverantwortlich, mit extrem teuren, technisch unausgereiften und unzuverlässigen Abwehrtechnologien unkalkulierbare politische und militärische Risiken zu erzeugen«. Auch sie will, wie ihr Parteivorsitzender, ganz vom Thema ablenken, fokussiert auf Hunger, Armut, Staatszerfall und Klimawandel, und folgert: »Wir müssen heute die richtigen Prioritäten setzen.« [12] Mit derlei europäischen Partnern hat Russland, hat selbst der Iran weitestgehend freie Hand. Dumm nur für die Europäer, dass sich weder Russland noch der Iran sonderlich um »Hunger, Armut, Staatszerfall und Klimawandel« kümmern, oder wenn doch, dann in äußerst bedenklicher Art und Weise.
In der Union ist es wieder einmal nur Eckart von Klaeden, der deutlich den Appeasern und Kretins widerspricht: »Bisher sind aber die Kritiker der Pläne der USA eine überzeugende Antwort schuldig geblieben, wie unsere Bevölkerung wirksam vor den Gefahren geschützt werden soll, die mit der Aufrüstung des Iran verbunden sind.« Denn nicht die Pläne der USA, sondern die Aktivitäten des Iran brächten die Gefahr eines neuen atomaren Wettrüstens mit sich. Dies berge auch das Risiko der Weitergabe von Nuklearmaterial an Terroristen. »Es ist daher unverständlich, wie man vor den Plänen der USA für ein Raketenabwehrsystem mehr Sorge haben kann als vor dem iranischen Nuklear- und Raketenprogrammen ... Wir dürfen das Richtige nicht unterlassen, nur weil es Moskau falsch verstehen will.« [13]
Mir dieser Position steht Klaeden weitestgehend allein. In der Union regt sich Widerstand gegen den transatlantischen Kurs ihres außenpolitischen Sprechers. Peter Gauweiler (CSU) und Willy Wimmer (CDU), beides Mitglieder im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages, führen die antiamerikanische Fraktion innerhalb der Konservativen an; sie haben erst jüngst eine Verfassungsklage gegen die Unterstützung Deutschlands für den »völkerrechtswidrigen Krieg« der Amerikaner in Afghanistan unternommen. Sein Ressentiment brachte jener Gauweiler kürzlich auf den Punkt, als er in einem Radiointerview behauptete, die Amerikaner führten im Nahen und Mittleren Osten einen Ausrottungskampf gegen fremde Kulturen, geradeso, wie sie es einst mit den Apachen und den Sioux getan hätten [14]. Die Kräfteverhältnisse im deutschen Bundestag sind offensichtlich, da jede Kritik an den absurden Verlautbarungen Gauweilers ausblieb, es vielmehr Zustimmung aus allen Lagern bis hin zur Linkspartei gab. So gibt es, wie es der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer einmal formulierte, keine linke, rechte oder gar grüne Außenpolitik, sondern nur noch deutsche Außenpolitik.
Die Kanzlerin scheint zu erkennen, dass sie mit ihren außenpolitischen Positionen recht allein ist und knickt in allen wesentlichen Fragen ein, überlässt dem Außenminister weitestgehend das Wort. Ihre Äußerungen sind allenfalls noch äquidistant. So brachte sie es bei ihrem jüngsten Besuch in Warschau mit Blick auf den Konflikt um das amerikanische Raketenabwehrsystem nur zu der Formel, Europa dürfe sich »auch in Sicherheitsfragen nicht spalten lassen. Geteilte Sicherheit wäre mangelnde Sicherheit.« Und im Morgenmagazin des ZDF stellt sie deutlicher heraus, dass in Bezug auf die Stationierung von Elementen des Raketenabwehrsystems in Osteuropa die Meinung Russlands berücksichtigt werden müsse.
Das aber ist Unfug. Denn würde Moskaus Meinung berücksichtigt, dürfte es kein amerikanisches Raketenabwehrsystem geben. Genau deshalb muss Russland ignoriert werden. Fühlt es sich von einem Raketenabwehrsystem bedroht, wird es gute Gründe dafür haben. Und eben diese Gründe sprechen allesamt dafür, sich nicht nur vor Teheran und Pjöngjang hinreichend zu schützen. Bleibt zu hoffen, dass die Amerikaner auf ihrem Raketenabwehrsystem beharren und im Fall der Fälle so großzügig sein werden, die Europäer wieder einmal vor den Folgen ihrer eigenen Politik zu schützen.
[1] Wladimir Putin: Rede auf der 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik.
[2] Russland Aktuell: General Solowjow: USA treiben Russland zum Wettrüsten.
[3] RIA Novosti: Erstes Fla-Raketenregiment mit S-400-System wird zum 1. Juni in Dienst gestellt.
[4] RIA Novosti: Lawrow sieht schwindenden Einfluss der USA auf Weltpolitik.
[5] Caroline Glick: Column One: As Syria prepares for war.
[6] Frank-Walter Steinmeier: Verflechtung und Integration. In: Internationale Politik, März 2007
[7] Frank-Walter Steinmeier: Wir wollen kein neues Wettrüsten. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18. März 2007
[8] Reuters: SPD verschärft Kritik an den USA im Raketenstreit.
[9] BBC World Service Poll: Israel and Iran share the most negative ratings in global poll.
[10] Reuters: Merkel kritisiert Polen wegen des geplanten Raketenschutzschilds.
[11] Reuters: SPD verschärft Kritik an den USA im Raketenstreit.
[12] Heidemarie Wieczorek-Zeul: Nachdenken statt Vorrüsten. In: Frankfurter Rundschau, 17. März 2007
[13] dpa: SPD warnt vor Wettrüsten in Europa.
[14] Peter Gauweiler am 5. Januar 2007 im Interview auf DeutschlandRadio Kultur: US-Politik auf dem Irrweg.
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