Dienstag, 27. März 2007

Erosionen

Als hätte man nur auf einen Anlass gewartet: Jetzt, da nicht mehr nur eine, sondern gleich zwei Terrororganisationen die palästinensischen Gebiete regieren, erodieren die letzten Grundsätze einer europäischen Nahostpolitik, der Israel aus falscher Hoffnung vertraute. Selbst das Existenzrecht des jüdischen Staates scheint inzwischen verhandelbar. Und weil Kritik daran nicht goutiert wird, mühen sich auch noch die letzten Parvenüs, eine solche zu denunzieren.

Die Europäische Union, die sich dieser Tage in Berlin ausgiebig gefeiert hat, würde ob der Bildung der neuen palästinensischen Einheitsregierung wohl am liebsten noch ein paar Fläschchen Rotkäppchensekt köpfen. Allein, die neuen ›Partner‹ aus Gaza und Ramallah sind dem Alkohol zumeist nicht gar so zugeneigt. Doch gäbe es Grund genug für sie zur Festivität: Der Nahost-Gesandte der EU, Marc Otte, machte dem neuen palästinensischen Außenminister Siad Abu Amr im Westjordanland bereits seine Aufwartung; die deutsche Bundeskanzlerin und amtierende EU-Ratsvorsitzende Angela Merkel telefonierte mit Palästinenser-Präsident Abbas, um neue ›Chancen‹ bezüglich der ›Regierung der nationalen Einheit‹ zu sondieren; Paris, Wien und Berlin haben bereits Einladungen an einzelne Regierungsmitglieder der Palästinenser ausgesprochen, und Großbritannien führt seit je offizielle Gespräche mit der Fatah und inoffizielle mit der Hamas.

Norwegen spielt, obwohl nicht EU-Mitglied, den gesamteuropäischen Vorreiter und kündigt ein vollständiges Ende seines politischen und wirtschaftlichen Boykotts an. Der Staatssekretär im Außenministerium, Raymond Johansen, traf bereits in Gaza mit dem palästinensischen Regierungschef Ismail Haniyeh von der Hamas zusammen. Auch die EU selbst sieht neben Kontakten »zu gemäßigten Ministern« die Möglichkeit, dass Gelder wieder direkt an die Palästinenser fließen. »Sie haben große Anstrengungen unternommen«, zitierte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe einen Spitzendiplomaten im Auswärtigen Amt: »Es wäre fatal, wenn wir Europäer jetzt ›April, April‹ sagen würden.« Diese »großen Anstrengungen« der Palästinenser beziehen sich aber mitnichten auf eine Deeskalation gegenüber Israel. Die verfeindeten Terrorbanden haben einfach nur aufgehört, sich gegenseitig abzuknallen. Die Einheitsregierung, die de facto die Einheit der Palästinenser gegen Israel beschwört, soll nun eben dafür belohnt werden. Der palästinensische Finanzminister Salam Fajjad fängt EU-Angaben zufolge bereits an, mit der Europäischen Union über die ›Wiederaufnahme‹ finanzieller Hilfen zu verhandeln. Diese Behauptung, es würde sich tatsächlich um eine ›Wiederaufnahme‹ handeln, ist jedoch völlig widersinnig, denn trotz eines angeblichen Boykotts hat die EU ihre Hilfen an die Palästinenser allein im vergangenen Jahr von zuvor 500 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro gesteigert. Es wird also allenfalls über eine abermalige Steigerung der Zuwendungen sowie über die unmittelbare Einzahlung auf die Konten der palästinensischen Regierung zu reden sein.

Die auflagenstärkste israelische Tageszeitung Yediot Ahronot gibt sich aus guten Gründen resigniert: »Die diplomatischen Bemühungen Israels sind gescheitert ... der Boykott der Palästinenser ist zu Ende.«

Auch die Amerikaner geben ihre ganz harte Linie auf: Sie wollen zwar die Sanktionen noch aufrecht erhalten, entgegen der Position Israels aber doch Kontakte zu einzelnen Kabinettsmitgliedern, die nicht der Hamas angehören, erlauben. Wenigstens beharren die USA weiter auf den Bedingungen des Nahostquartetts; Sicherheitsberater Stephen Hadley bekräftigte gegenüber CNN, dass Verhandlungen mit der neuen palästinensischen Regierung von Hamas-Ministerpräsident Haniyeh immer noch ausgeschlossen seinen. Es gelten weiter die Vorbedingungen: Anerkennung Israels, Verzicht auf Terrorismus und Gewalt, Einhaltung bereits geschlossener Vereinbarungen.

Das allerdings wird in Deutschland in Regierung und Opposition kritisiert. Heidemarie-Wieczorek-Zeul (SPD) hat bereits im Vorfeld ihres geplanten Treffens mit dem neuen palästinensischen Finanzminister in Berlin festgestellt, dass die alten Leitlinien des Nahostquartetts für die Deutschen nicht mehr gelten, denn »das dürfen keine Vorbedingungen für uns sein, überhaupt in Gespräche einzutreten. Es sind Forderungen und Ziele, die gerade mit dem Dialog erreicht werden sollen.« [1] Noch deutlicher wird die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Müller, die sich dagegen wendet, dass »das Quartett immer nur die alten Positionen bekräftigt«. Und sie folgert: »Es setzt sich hier immer wieder ja die amerikanische Position durch, die dabei bleibt: Israel anerkennen, Gewaltverzicht, internationale Verträge respektieren. Ich glaube, dass das strikte Bestehen auf die Quartettbedingungen inzwischen kontraproduktiv für eine Bewegung im Friedensprozess ist.« Müller fordert vom Quartett, »eher Druck auf Israel ausüben«. [2]

In einer Anfrage an ihr Büro, ob sie denn angesichts ihrer Ablehnung der bisherigen Vorbedingungen des Quartetts eine bessere Lösung kenne, »die Israels Sicherheit garantiert und im Gazastreifen sowie in der West Bank demokratische Verhältnisse herstellt«, antwortet ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Arne Behrensen:

»Die von Ihnen angeführte Stelle aus Frau Müllers D-Radio-Interview bezieht sich auf das ›strikte‹ Bestehen auf den Quartettbedingungen als Vorraussetzung für eine internationale Zusammenarbeit mit der neuen palästinensischen Regierung. Seien Sie sicher, dass Frau Müller an einer schnellstmöglichen Erfüllung der Quartettbedingungen sehr wohl gelegen ist. Doch realistisch gesehen kann dies nur in einem Verhandlungsprozess, also im politischen Dialog geschehen. Die neue palästinensische Regierung muss deswegen als Dialogpartner anerkannt werden und vor allem an ihren Taten (Durchsetzung und Einhaltung eines effektiven Waffenstillstands und Freilassung von Shalit im Rahmen eines Gefangenenaustausch) gemessen werden, auch wenn die Akzeptanz von Hamas-Ministern für niemanden eine schöne Vorstellung ist. Als Alternative droht jedoch ein erneuter Rückfall in den innerpalästinensischen Bürgerkrieg und eine weitere Steigerung des iranischen Einfluss. Das kann erst recht nicht in Israels Interesse sein.«

Dieser wissenschaftliche Mitarbeiter fordert also, ganz seiner Dienstherrin folgend, die Anerkennung der neuen palästinensischen Regierung, die Akzeptanz von Hamas-Ministern sowie den Verzicht auf die bislang gültigen Vorbedingungen für Verhandlungen. Er hält insbesondere die Anerkennung des Existenzrechts Israels für disponibel. Und, wie all diese deutschen ›Nahost-Experten‹, glaubt er recht genau zu wissen, was in Israels Interesse sei und was nicht.

Interessant an Behrensen ist nicht nur, dass er das Lied seiner Herrin singt – was einem so aufstrebenden Jungakademiker in der deutschen Politiklandschaft wohl zugestanden werden muss –, sondern dass er sich auch außerhalb der Bundestags-Büroräume politisch entsprechend betätigt. Das aber steht nicht im Dienstvertrag. Will man Israel am effektivsten in die Parade fahren, so tut man dies, so viel hat der junge Behrensen bereits gelernt, auch ›zivilgesellschaftlich‹ als vorgeblicher ›Freund Israels‹. Die Karriere des Politikwissenschaftlers führte folgerichtig als Freiwilliger der Aktion Sühnezeichen über das Berliner Büro des American Jewish Committee schließlich in den Bundestag; er war zuvor als Autor der Jungle World ebenso tätig wie als Aktivist des Berliner Bündnisses gegen Antisemitismus und Antizionismus, später nur noch des Bündnisses gegen Antisemitismus, so als wäre der Antizionismus nicht mehr der ausdrücklichen Erwähnung wert.

Behrensen betätigte sich 2002 als Mitorganisator einer Kundgebung vor der SPD-Zentrale in Berlin, da Kanzler Schröder ausgerechnet am 8. Mai mit Martin Walser über Nation und Patriotismus öffentlich zu räsonieren gedachte. Doch der Protest sollte für den Veranstalter keineswegs karriereschädlich wirken; Behrensen sprach im Vorfeld bei der Parteizentrale vor, damit sein Engagement ja nicht falsch verstanden würde. Selbst die kleinste Rebellion gerät so gänzlich konformistisch.

Ferner ist Arne Behrensen Mitorganisator der jährlichen Berliner Kleinstdemonstration gegen den internationalen Al Quds-Tag, und er schafft es hier, die üblichen B-Promis von Lea Rosh über Claudia Roth bis hin zu Eberhard Seidel vom »Kinder-Stürmer« taz (Henryk M. Broder) zusammenzubringen, um kund zu tun, man habe zwar »unterschiedliche Meinungen zu dem andauernden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern«, trete aber gemeinsam »für eine friedliche und für beide Seiten akzeptable Zweistaatenlösung ein«, um gerade in diesem Zusammenhang ausdrücklich »jede Diskriminierung von Menschen muslimischen Glaubens oder migrantischen Hintergrunds« abzulehnen. Das iranische Regime instrumentalisiere »schamlos den israelisch-palästinensischen Konflikt zu Lasten auch der Palästinenserinnen und Palästinenser«, während bei den sich so Kundgebenden von Israel nur als nationaler Entität, nicht aber im Sinne sehr konkret bedrohter Menschen die Rede ist. [3]

Derlei simulierter Betriebsamkeit, mittels welcher ein breites Bündnis gesucht wird, geht es mitnichten darum, Israel ernsthaft zu unterstützen. Es wird auf den großen gesellschaftlichen Konsens abgezielt, statt genau diesen auf Grundlage der allbekannten empirischen Fakten zu kritisieren. Eben darum auch wird jede Deutlichkeit der politischen Aussage solange gedämpft, bis das gesamte Milieu der ›Israelkritiker‹ für eine zur hohlen Geste verkommene Veranstaltung eingemeindet werden kann. Eine solche Veranstaltung erfüllt ihren Zweck dann genau darin, zur Dienstleistung am teilnehmenden ›Israelkritiker‹ zu werden. Mit dem guten Gefühl, sich als ›Freund Israels‹ nun hinlänglich ausgewiesen zu haben, lässt sich fürderhin moralisch legitimiert gegen jene zu Felde ziehen, die nicht aus taktischen Erwägungen, sondern aus grundsätzlicher Parteinahme gegen den Neuen Antisemitismus und den darin enthaltenen eliminatorischen Antizionismus auftreten.

Nur ein Beispiel: Unterstützte Eberhard Seidel von der taz im Oktober 2006 die letzte Demonstration gegen den Al Quds-Tag, so tat er dies im besten Glauben, sich in keinem Widerspruch zu seinem im gleichen Monat erschienenen Artikel über »Gesundes Volksempfinden« zu befinden: Dort schloss er »Feuilleton, Bürger und Rechtsextreme« kurz, die sich im gemeinsamen »Widerstand gegen die islamische Landnahme in Deutschland« befänden, wobei er »den Welt-Autor und niederländischen Schriftsteller Leon de Winter« als »Rassisten« denunzierte und Henryk M. Broder, der »heute noch mangelnden Widerstand gegenüber Islam und Islamismus beklagt«, unterstellte, er habe »schlicht die Entwicklungen der letzten Jahre verschlafen«, denn genau seine »Stichworte werden längst von rechtsgerichteten Organisationen« wie beispielsweise der NPD aufgegriffen. Seidel resümierte: »Ein ganzes Volk ist vereint im antiislamischen Widerstand.« [4] Ein halbes Jahr später widerspricht er abermals der These vom »islamischen Antisemitismus«; dieser Judenhass speise sich eben »nicht aus religiösen Quellen, sondern ist ein modernes Phänomen«. So sind nicht die Mullahs, so ist wieder einmal nur die Moderne an allem schuld. Seidel hat von Dialektik nicht die geringste Ahnung und ist auch sonst ein anständiger Linker: antimodern bis ins Kreuzberger Mark. Also spricht er sich grundsätzlich gegen das »Konstrukt vom ›islamischen‹ oder ›muslimischen Antisemitismus‹« aus; er differenziert, denn »nicht jede Kritik eines palästinensischen Jugendlichen oder eines Imams an der Besatzungspolitik Israels ist per se antisemitisch«. Und er glaubt zu wissen: »Zumeist erging es der jüdischen Bevölkerung unter muslimischer Herrschaft ... besser als im christlichen Abendland.« Deshalb empfiehlt er auch: »Mit dem Imam gegen Judenhass.« [5] Und das schreibt er ohne jede Ironie. Bitter ernst ist es ihm auch mit dem Anliegen, die eh schon allzu bescheidene ernsthafte Unterstützung Israels bestmöglich zu sabotieren. Seidel versucht dies beispielsweise auch dadurch, dass er Publizisten wie de Winter und Broder denunziert und in die Nähe des Rassismus und Rechtsextremismus rückt.

Am Beispiel Eberhard Seidels wird deutlich: Wer mit solchen den Konsens und das Bündnis für Israel sucht, nimmt die Verharmlosung des eliminatorischen Antizionismus und der evidentesten Gefahr für Israel, also des real existierenden Islamismus, willentlich in Kauf. Eben diese Verharmlosung aber ist de facto eine Politik gegen Israel. Solche vorgeblichen Bündnisse für Israel dienen, und das ist ihr eigentlicher politischer impact, der moralischen Absicherung eben jener Teilnehmer, deren ›Israelsolidarität‹ sich gemeinhin in ›Israelkritik‹ erschöpft. Und dafür können die eingeladenen Bündnispartner den Veranstaltern durchaus dankbar sein.

Arne Behrensen, der bereits erwähnte junge Mann im Vorzimmer Kerstin Müllers, will nicht nur Bündnisse organisieren oder Briefe im Auftrag seiner Chefin beantworten, sondern fühlt sich zum Behufe seiner ›Israelunterstützung‹ gar zu einem programmatischen Aufsatz bemüßigt, den jüngst das Onlinemagazin Hagalil abzudrucken bereit war [6]. In diesem Elaborat wendet er sich gegen jede »alarmistische Rhetorik« in Bezug auf die antisemitischen Vernichtungsfantasien des Iran, so, als wäre es im Angesicht der atomaren Bedrohung erste deutsche Bürgerpflicht, nur die Ruhe zu bewahren. Diese Friedhofsruhe empfiehlt Behrensen zuvörderst den Bedrohen selbst; sie werde aber durch jene proisraelischen Gruppen gestört, die mit dem »unseriösen Auftreten ihrer exzentrischen Vertreter ... vorwiegend christlich-fundamentalistische und antideutsch-linksradikale Bündnispartner« anzögen und damit einem »breiten gesellschaftlichen Bündnis im Wege« stünden. So spricht der Spießer, der selbst einst im »antideutsch-linksradikalen« Milieu sich profilierte und nun vor allem Seriosität anmahnt. Darin manifestiert sich aber vor allem die Entsolidarisierung von jenen jüdischen Organisationen, deren proisraelische Haltung grundsätzlich außer Frage steht. Behrensen müht sich redlich, eben diese Organisationen zur Distanzierung von ihren letzten verbliebenen Partnern zu zwingen und sie damit noch einsamer dastehen zu lassen. Und weil derlei Denunziation nicht erst seit Behrensens Traktat marodiert, so wird sich tatsächlich, wie eingefordert, sicherheitshalber distanziert; wohl aber nur so lange, bis man begreift, selbst das eigentliche Ziel der Denunziation zu sein. [7] Außerdem ist Behrensens Nötigung ganz unnötig und zeugt von wirrer Projektion; wesentliche Kerntruppen der Antideutschen haben sich nämlich aus ihren eigenen falschen Gründen schon längst aus der praktischen Kooperation mit dem, wie sie es nennen, »organisierten Judentum« [8] zurückgezogen.

Behrensen erschöpft seine Kräfte nun darin, vor einem Militärschlag gegen den Iran zu warnen: »Die Aussichten, das iranische Atomprogramm auf diese Weise effektiv stoppen zu können, sind mehr als zweifelhaft, der Bau der Bombe könnte sogar unausweichlicher werden.« Die Versuche also, die Bombe zu verhindern, würden die Bombe des Iran erst »unausweichlich« machen. Darüber hinaus gilt ihm bereits jede »Forderung nach einem Militärschlag und demonstrative Planung« als »gefundenes Fressen für den innenpolitisch durch verlorene Kommunal- und Expertenratswahlen sowie Wirtschaftsprobleme geschwächten Ahmadinedjad.« Bloß den Bären nicht reizen!, so lautet allenthalben die Warnung des ängstlichen Tierpflegers im Zoologischen Garten.

Beim Insistieren auf Verhandlungen geht es Behrensen nach Eigenauskunft letztlich auch darum, Israel vor seinem eigenen Handeln, nämlich den »gefährlichen Optionen« eines Militäreinsatzes, zu bewahren. So viel Fürsorge hat Kerstin Müllers Adjutant allemal zu bieten. Seine Handlungsoptionen: »Differenzen bei der Beurteilung des israelisch-palästinensischen Konflikts zurückzustellen und gemeinsam eine für beide Seiten akzeptable Zweistaatenlösung zu vertreten«, denn »alles andere bedient die Propaganda des iranischen Regimes«. Entkommt man dieser »Propagandafalle«, dann wird es auch etwas mit dem breiten gesellschaftlichen Bündnis. Doch wofür steht dieses dann? Ganz sicher nicht für »explizit pro-israelische Kampagnen«; eine »ausschließliche Konzentration auf die Atomfrage und die Bedrohung Israels ist kontraproduktiv«, denn »die überwiegende Mehrheit der Iraner ist keineswegs pro-israelisch, sondern eher pro-palästinensisch eingestellt«. Wollen die Feinde Israels den jüdischen Staat von Landkarte streichen, so wollen selbsterklärte ›Freunde‹ Israels den jüdischen Staat wenigstens schon einmal von der Agenda streichen. Aus rein taktischen Gründen, versteht sich.

Behrensen überlässt die wirklich große Politik zwar noch seiner Dienstherrin; der Parvenü geduldet sich einstweilen am unteren Ende der Karriereleiter. Aber er tut schon, was er kann, um proisraelische Kampagnen zu okkupieren, und dort, wo dies nicht gelingt, zu behindern. Unsinn zu schreiben allein reicht da nicht aus. Behrensens persönlicher Einsatz mag manchmal kurios wirken; lustig ist es aber nicht, was sich da im Vorfeld der Anti-Ahmadinedjad-Demonstration Anfang des Jahres in Berlin tat, als Behrensen eifrig Unterstützer dieser Demo, insbesondere jene aus dem linken und aus dem iranischen Umfeld, ebenso einfältig wie eindringlich agitierte, diese Unterstützung ja wieder einzustellen.

Andrea Livnat, Mitherausgeberin des Onlinemagazins Hagalil, wundert sich nun über vereinzelte negative Reaktionen auf Arne Behrensens Text, hatte die Gute doch nur gehofft, »eine Diskussion über das ›Wie‹ der Israelsolidarität« anstoßen zu können [9]. Sie fragt sich, Partei für Behrensen ergreifend: »Ist jede Kritik gleich so zu interpretieren, dass man am Existenzrecht Israels zweifelt?« Und damit klingt sie wie jeder ordinäre ›Israelkritiker‹, der immer schon die ›Antisemitismuskeule‹ fürchtet und deshalb diese dümmliche Frage bei jeder Gelegenheit wiederholt. Andrea Livnat ist ganz zerknirscht: »Bei solcher Dämonisierung, wie können wir hier die Basis zur Gemeinsamkeit finden?«

Die Antwort ist simpel: gar nicht.

Denn es gibt jene, die selbst aus taktischen Erwägungen nicht von Israel schweigen wollen, die aus Sorge um den jüdischen Staat, nein, aus Sorge um das Leben seine Bürger, nicht jede militärische Option grundsätzlich ausschließen, die eine Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel nicht zur Disposition stellen, die eine palästinensische Regierung zweier Terrororganisationen nicht für akzeptabel halten, und die nicht den Alarm zurückhalten, wenn ein zweiter Holocaust angekündigt wird. Es sind eben jene, die all diese Punkte als unhintergehbare Basisbanalitäten der Unterstützung Israels betrachten.

Konsensfähig ist das alles nicht. Wer das versteht, hat schon viel über Deutschland verstanden.

[1] http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/objekt.php3?artikel_id=2756995

[2] http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/597379/

[3] http://www.gegen-al-quds-tag.de/aufruf.html

[4] http://www.taz.de/pt/2006/10/07/a0142.1/text

[5] http://www.taz.de/pt/2007/03/15/a0128.1/text

[6] http://www.hagalil.com/archiv/2007/03/atombombe.htm

[7] http://www.hagalil.com/archiv/2007/03/stawski.htm

[8] http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/AntwortGrossdemonstration.htm

[9] http://www.hagalil.com/archiv/2007/03/israelsolidaritaet.htm

1 Kommentar:

Grigori Pantijelew hat gesagt…

Hervorragende Texte, bitte mehr davon!